Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachrichten an Paul

Nachrichten an Paul

Titel: Nachrichten an Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
Vom Netzwerk:
Herren.“
    Da spricht sie mir aus der Seele. Die beiden Männer sehen etwas irritiert aus.
    „Man wird ja wohl noch fragen dürfen“, sagt der Herr mit Stoffhut.
    „Man wird ja wohl noch antworten dürfen“, sagt Clara.
    Die beiden Herren empfehlen sich. Sie sind bestimmt nett, und es gibt bestimmt auch Damen, die ihre Aufmerksamkeit zu würdigen wissen. Clara und ich gehören nun mal nicht dazu. Für uns gilt in diesem Fall leider: Nicht alles, was vorstellich ist, ist auch mögbar.
     
    *

    Jetzt wo Paul weg ist, stürze ich mich wieder in meine Übersetzungen. Mit dem elektrischen Fonduegerät bin ich ja durch, da muss ich nur noch einmal Korrektur lesen. Dann erledige ich noch ein paar Scheidungsurteile und ein Testament. Jetzt ist die Elektro-Bodenhacke dran. Man soll Lärmschutz und örtliche Vorschriften beachten. Das ist vernünftig. Und die Benutzung kann zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten eingeschränkt sein. Das leuchtet sofort ein und lässt sich gut übersetzen. Man soll keine Steine damit zerkleinern. Leuchtet ja auch sofort ein. Ich frage mich kurz, ob es wirklich Trottel gibt, die sich eine elektrische Bodenhacke kaufen, um damit Steine zu zerkleinern. Schwer vorstellbar. Auf der anderen Seite natürlich und immer wieder: Alles, was vorstellbar ist, ist auch möglich. Das haben sich die Verfasser dieser Gebrauchsanleitung vermutlich auch gedacht. Man soll auch keine Rasenflächen damit umgraben. Leuchtet jetzt irgendwie nicht sofort ein, jedenfalls mir nicht, aber auch das wird seinen Grund haben.
    Man soll mit Vernunft an die Arbeit gehen. Das ist ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit, das sollte doch im Grunde für jede Arbeit gelten und ganz im Grunde natürlich auch für das ganze Leben. Aber vielleicht doch gut, dass die Verfasser es nochmal ausdrücklich erwähnen. Man soll aufpassen, dass man beim Rückwärtsgehen nicht stolpert. Da ist auch was dran. Das Gerät hat Hackmesser. Die können ausgetauscht werden, wenn sie stumpf sind. Und als ich das übersetze, macht es bei mir plötzlich endlich Klick.
    Ist ja auch ein Ding, dass ich solange gebraucht habe, um das zu verstehen. Ich habe da einfach Rosanne Cash geglaubt. Immer diesen Song im CD-Player und im Ohr. Take these chains from my heart and set me free .
    Nun lerne ich endlich aus dieser Gebrauchsanweisung: Wenn die Hackmesser ausgetauscht werden müssen, muss man sie austauschen. Man wartet nicht drauf, dass sie sich irgendwie von selber austauschen oder dass irgendjemand sie irgendwann austauscht. Man lässt es von einem Fachmann machen oder man macht es selber. Aber man muss was tun. Man muss aktiv was unternehmen, damit sie ausgetauscht werden.
    Auf Vernunftsgründen mache ich eine kleine Arbeitspause und mache mir in der Küche einen Kaffee. Während das Wasser heiß wird, nasche ich schnell ein paar Stücke Schokolade und dann setze ich mich mit meinem Kaffee wieder an den Computer und gucke mal kurz bei Skype vorbei, ehe ich mich wieder an die Übersetzung für die elektrische Bodenhacke mache. Da sind ein ganzer Haufen Nachrichten mit diesen kleinen orangen Punkten. Vier neue Nachrichten. Habe gar nicht mitgekriegt, dass mich jemand angeskypt hat. Das kann man bestimmt anders einstellen, ich weiß nur nicht wie.
     
    Meine Mutter schreibt: Sag mal, was machst du eigentlich die ganze Zeit? Geht es dir gut? Ich habe dich seit Tagen nicht mehr online gesehen.
    Oha – meine Mutter hat den globalen Kontroll-Mechanismus entdeckt. Das ist nicht gut.
    Ich schicke meiner Mutter eine Nachricht: Liebe Mutti, es geht mir gut, ich war nur eine Zeitlang nicht online, damit ich ungestört übersetzen konnte.
    Das entspricht zwar nicht der Wahrheit, klingt aber plausibel und vernünftig.
     
    Clara schreibt: Arbeitest du oder hängst du nur draußen im Pool rum? Ich weiß jetzt, was ich mit meinem Leben anfangen werde. Ich gehe nach Argentinien und lerne Tango tanzen.
    Ich schreibe an Clara: Tango tanzen ist eine wunderbare Idee. Mach das. Man soll nie aufhören was Neues zu lernen.
    Das entspricht auch nicht so ganz der Wahrheit, denn ich möchte natürlich, dass Clara hier bleibt, hier in meiner Nähe. Clara soll nicht nach Argentinien gehen, aber womöglich hat sie das wirklich vor, denn spanisch spricht sie ja.
     
    Nicki schreibt: Hi Anna, ich hoffe, es geht dir gut. Paul ist ganz begeistert von Portugal. Er lässt dich grüßen und fragt, wann du kommst. Er freut sich schon – c u soon Nicki
    Ich schreibe: Hi Nicki

Weitere Kostenlose Bücher