Nachrichten an Paul
ja gesagt, aber natürlich nein gemeint. Ich weiß, dass ich ihn nicht besuchen werde. Das war ein tolles Wochenende. Das war vielleicht das schönste Wochenende meines Lebens. Klar hätte ich gerne mehr davon, mehr von solchen Wochenenden, aber ich werde doch nicht sehenden Auges in mein Unglück rennen, denn was anderes kann das hier doch gar nicht werden, nicht wahr. Mir ist dieser Altersunterschied einfach zu groß. Ich will das nicht. Ich werde mir das nicht antun. Und auch wenn die Männer im Datingcafé sich immer jüngere Partner wünschen und sich das ja auch tausendmal antun – ich werde mir das nicht antun. Ich habe keine Lust, ängstlich vor dem Spiegel zu stehen und mein Aussehen zu beobachten und Falten zu zählen, nur weil mein Partner jünger ist. Das kommt überhaupt nicht in die Tüte. Und dann hält mich womöglich noch eines Tages irgendjemand für Pauls Mutter. Ich denke nicht daran, mir das anzutun. Dann bin ich eben ein Feigling. Okay. Aber ich bin wenigstens nicht wahnsinnig. Also gibt es doch nur eine Lösung. Und zwar das Ganze zu beenden, solange es noch einigermaßen einfach zu beenden geht.
„An was denkst du?“, sagt Clara und stellt das Tablett auf den Tisch.
Wir sitzen auf der Dachterrasse vom Eispalast, es ist warm, aber nicht zu heiß, das perfekte Wetter zum Draußensitzen, wenn man einen Platz unter einem Sonnenschirm erwischt. Vor uns auf dem Tisch Galão und Pasteis de Nata . In der Ferne die Serra de Estrela. Dort oben in den Bergen irgendwo hat Paul mich geküsst. Noch vor kurzem.
„An Paul“, sage ich.
„Wirst du ihn wiedersehen?“, fragt Clara.
„Nein“, sage ich. „Das werde ich nicht.“
„Und weiß er das auch schon?“, fragt Clara.
„Nein“, sage ich. „Noch nicht.“
Wir trinken unseren Galão und gucken auf die Serra de Estrela. Was für ein Blick. Was für eine Weite.
„Und was ist mit Rui?“, sage ich. „Wirst du mit ihm zusammenziehen?“
„Nein“, sagt Clara. „Das werde ich nicht.“
„Und weiß er´s schon?“, frage ich.
„Nein“, sagt Clara. „Noch nicht.“
Ein heftiger Windstoß kommt und weht unsere Plastikteller von der Terrasse. So eine Öko-Sauerei.
„Ich weiß nicht so recht, wie ich es ihm sagen soll“, sage ich. „Nach diesem tollen Wochenende. Aber es hat einfach keinen Zweck. Ich meine, was soll das. Er wohnt achttausend Kilometer weit weg. Er ist elf Jahre jünger.“
„Du könntest umziehen“, sagt Clara. „Das ist vermutlich irgendwie machbar. Übersetzen kann man ja überall.“
„Und der Altersunterschied?“, sage ich.
„Tja“, sagt Clara. „Der bleibt. Da kannst du hinziehen, wo du willst.“
„Soll ich uns noch einen Kaffee holen?“, frage ich.
„Gerne“, sagt Clara. „Und auch gleich noch so ein Törtchen dazu. Eins pro Person natürlich.“
„Natürlich“, sage ich.
Ich hole Kaffee und Kuchen. Ich komme zurück und stelle das Tablett auf den Tisch. Clara sieht in die Ferne.
„Das ist meine Entschuldigung“, sage ich. „Differenz in Raum und Zeit. Zeit im Sinne von Alter. Und was ist deine?“
„Ich habe keine“, sagt Clara.
„Soll ich dir sagen, was deine ist?“, sage ich.
„Lass hören“, sagt Clara.
„Du bist ein Sehnsuchtsjunkie“, sage ich. „Dir geht es nur um die Sehnsucht, aber nicht um die Erfüllung. Deswegen schreibst du auch laufend diese Kitschromane. Lange Sehnsucht, kurze Erfüllung und Schluss.“
„Danke Frau Freud“, sagt Clara. „Vielen herzlichen Dank auch.“
„Gern geschehen“, sage ich.
„ El amor tiene fácil la entrada, y difícil la salida ”, sagt Clara. “Lope de Veja. Der Beginn einer Liebe ist einfach, das Ende schwierig.“
Clara mit ihren spanischen Zitaten. Na ja. Ich finde das Zitat hier jetzt nicht so treffend, denn der Anfang war ja auch nicht gerade einfach. Vielleicht ist Liebe einfach immer schwierig. Von Anfang bis Ende. Einschließlich der Mitte. Eben immer. Und überhaupt.
„Dürften wir die Damen vielleicht auf ein Getränk einladen“, sagt da plötzlich eine Stimme auf Deutsch. Clara und ich sehen zur Seite – da stehen doch in der Tat zwei Herren. Allerdings ins Shorts und Sandalen. Der eine trägt sogar einen weißen Stoffhut.
„Wir haben gehört, dass Sie auch deutsch sprechen“, sagt der Herr ohne Stoffhut. „Und da dachten wir, was für ein schöner Zufall, hier so in der Fremde auf Landsleute zu treffen.“
„Tut mir leid“, sagt Clara. „Wir sind keine Damen. Und wir suchen daher auch keine
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