Nachrichten aus einem unbekannten Universum
vielmehr mangelndem Konsumenteninteresse. Denn wehe, der Mensch verlangt nach Krill. Allenthalben würde man ihn servieren. Krillhäppchen und Krillsüppchen stünden auf den Speisekarten der gestirnten Gastronomen, im Sommer gäbe man Krillparties, und für den großen Hunger würden Krillteller angeboten.
Klingt unappetitlich? Geschmackssache.
Ich persönlich liebe beispielsweise Austern. Doch hat, wer sie als versalzenen Rotz schmäht, mein uneingeschränktes Verständnis. Appetitlich ist, was dazu erklärt wird. Wenn angesehene Köche sagen, Krill schmeckt, dann schmeckt der auch. Da kann der kleine Krebs noch so schnell flüchten (mit einer Geschwindigkeit von über 60 Kilometern in der Sekunde katapultiert sich ein Krillkrebschen nach hinten, den Feind immer im Auge), er landet in der Küche.
Derzeit wird Krill vorwiegend in Produktionsstätten für Fischfutter genutzt. Dagegen ist nichts einzuwenden. Zwischen Ausrottung und konsequenter Nichtnutzung gibt es eine Reihe sinnvoller Abstufungen. In Japan allerdings gilt Krill als Delikatesse. Man kann also nur hoffen, dass den Walen am Ende nicht doch der Magen knurrt. Immerhin will ich den Kindern Nippons zugestehen, dass sie eine elegante Lösung für das Problem gefunden haben. Wenn der Wal tot ist, argumentieren sie, kann der arme Kerl nicht hungern, also essen wir ihn gleich mit — natürlich zu rein wissenschaftlichen Zwecken.
Zurück zum Plankton. Wollte man ihm in Fülle und Vielfalt gerecht werden, würde dieses Buch von nichts anderem handeln. Beschränken wir uns also auf übergreifende Klassifizierungen. Achtung, Fachbegriff-Alarm! Kennen sollte man den Unterschied zwischen Haliplankton und Limnoplankton. Großes Ehrenwort, ich verwende diese Begriffe nie wieder, nur ein einziges Mal noch: Haliplankton lebt im Meer, Limnoplankton in Süßwasser. So werden wir beide Sorten ab jetzt nennen: Meerwasserplankton und Süßwasserplankton.
Für uns ist das Meerwasserplankton interessanter, weil vielfältiger. Neben rein planktonischen Formen findet man darin auch Larven von Tieren, die im ausgewachsenen Zustand kein Plankton mehr sind, sondern dieses fressen. Mit den Jahren hat die Wissenschaft herausgefunden, dass beinahe jede boden- und rifflebende Spezies im Meer, deren Nachwuchs ein Larvenstadium durchmacht, ihre Kleinen in die Kinderstube des Plankton entlässt, also in den frei schwebenden Zustand. Unverantwortlich, sollte man meinen. Wo doch jeden Moment der nächste Blauwal um die Ecke kommen und den Filius verschlucken kann. Tatsächlich bringt der Aufenthalt im Volk der Herumtreiber eine ganze Reihe von Vorteilen mit sich. Nicht umsonst sind Larven von Schwämmen, Würmern, Schnecken, Seeigeln, Korallen, Muscheln und großen Krebsen für das planktoni- sche Leben wie geschaffen. Sie verfügen über winzige Ruderextremitäten, können also im Schwarm mithalten. Erst wenn die Wandlung zum erwachsenen Tier ansteht, tritt der werdende Korallenpolyp oder Seeigel seinen Rückweg nach unten an und siedelt, wo seinesgleichen wohnt.
Sesshafte und am Boden lebende Tiere sind in ihren Möglichkeiten eingeschränkt, was die Jagd betrifft. Wilde Verfolgungsjagden schließen sich aus. So harrt man desjenigen, der in die Nähe kommt, und nimmt vorlieb mit Wesen, die nicht weglaufen können. Ein stattlicher Krebs nährt sich auf diese Weise redlich, auch eine Seegurke schlägt sich wacker und filtriert Zentimeter für Zentimeter das Sediment. Korallenpolypen können nicht krabbeln oder krauchen, sie sitzen fest, also strecken sie ihre Ärmchen aus und grabschen nach vorbeitrudelnden Snacks. Die Larve einer Krabbe oder eines Wurms hingegen täte sich schwer mit Sesshaftigkeit. Wie soll sie satt werden? Mama Wurm gibt ihr ja nicht das Fläschchen. Am Boden umherzuwuseln, übersteigt Klein-Würmlis Kräfte, also macht es eine Schwebezeit durch und pubertiert im Planktonschwarm, wobei es hierhin und dorthin getragen wird und reichlich fressen kann. Das alles ist längst nicht so exotisch, wie es klingt. Viele Landpflanzen halten es ähnlich. Festgewachsen, wie sie sind, schicken sie ihre Sporen auf Reisen, die der Wind übers Land verteilt. Der Wind des Meeres ist die Strömung, und so kann sich auch sessiles und fußlahmes Leben grenzenlos ausbreiten.
Werfen wir noch einen letzten Blick auf die Süßwasserfraktion. Mit der machen wir oft unliebsame Bekanntschaft. Wird ein Überschuss an nährstoffreichen Substanzen in Flüsse und Seen geleitet, rüstet das
Weitere Kostenlose Bücher