Nachrichten aus einem unbekannten Universum
natürlichen Feinden allzu rasch zum Opfer. Und die sind zahlreich. Nicht nur Säuger, Vögel und Fische gehören dazu, sondern auch die rätselhaften Salpen.
Und wer ist das nun wieder?
Ganz wichtige Vertreter im marinen Ökosystem. Auch Salpen sind Plankton. Sie gehören zu den Manteltieren, eigenartigen Wesen, die als nächste Verwandte der Wirbeltiere klassifiziert werden und im Allgemeinen faule Säcke sind. Wie Säcke sehen sie jedenfalls aus. Es gibt winzige Säcke und solche, die bis zu zwanzig Zentimeter groß werden. Einige von ihnen, die Seescheiden, leben sesshaft am Grund der Tiefsee, andere auf der Oberfläche großer Pflanzen, wieder andere treiben in riesigen Schwärmen mit der Strömung: Das sind die Salpen. Beim Betrachten der transparenten Tiere gewinnt man nicht gerade den Eindruck, als hätten sie die Arbeit erfunden. Gemächlich filtrieren sie mit Hilfe ihres Kiemendarms Partikel, kleine Krebse und winzige Fische aus dem Wasser, die sie mit Schleim umgeben und der Verdauung zuführen. Manteltiere haben keine Lunge, keine Kiemen, kaum Hirn und ein winziges Herz. Manche bilden einen Schwanz aus, andere leisten sich nicht mal den.
Als Miss Evolution die Manteltiere fragte, wie sie sich gerne vermehren würden, erhielt sie die typische Antwort fauler Säcke: Ach, ich weiß nicht. Das haben sie nun davon: Mal vermehren sie sich geschlechtlich, mal ungeschlechtlich, so auch die Salpen, die übrigens zu den schöneren Säcken gehören und eher schwebenden Tönnchen aus irisierendem Glas gleichen. Auch sie bestehen weitestgehend aus Darm. Was den Betrachter in Entzücken versetzt, ist ihre Angewohnheit, meterlange Lichterketten zu bilden, die prachtvoll anzuschauen sind, so als seien riesige Kronleuchter zum Leben erwacht und reckten in Zeitlupe kristallene Arme. Wie alles Plankton folgen sie der Strömung, können aber auch selbst ein bisschen navigieren, indem sie ihre Muskulatur in rhythmische Kontraktion versetzen. Wasser wird eingesaugt und wieder ausgestoßen. Der Rückstoß treibt das Tier voran, während mit dem angesaugten Wasser Nahrung ins Innere gelangt. Kleinste Algen verfangen sich im überaus feinen Wimpernnetz des Darmfilters. Das ist mit einer fortwährenden Produktion von Schleim verbunden, den die Haut der Salpe absondert und der ebenso wie der organische Schnee des Krills in die Tiefe sinkt. Auf ihre Weise sorgen also auch faule Säcke dafür, dass der Verwertungskreislauf niemals abreißt.
Im Oberflächenwasser warmer und gemäßigter Meere bilden Salpen riesige Verbände. Ganze Tropengebiete verwandeln sie in glitzernde Gallertflächen und verdrängen jedes andere Plankton. Also halten sich Wale und andere große Meeresbewohner an ihnen schadlos. Salpen sind beliebt wegen ihres hohen Süßwassergehalts. Darin gleichen sie den Quallen, die auch nicht viel mehr sind als Gestalt gewordenes H 2 O. Kälte schätzt die Salpe als solche weniger, weil ihr dort die Fortpflanzungsfähigkeit abhanden kommt. Doch mitunter lassen sich die Schwärme auch zum Pol treiben, denn eines gibt es dort reichlich: Futter.
Krill zum Beispiel.
Ein jugendliches Krebschen, das in die Fänge einer engelsgleichen Salpe gerät, wird flugs in Schleim verpackt und hübsch langsam zersetzt. Von derlei Attacken kann sich der Krill generell erholen. Welche Auswirkungen es auf die globalen Krillbestände hat, wenn die Polkappen weiter abschmelzen, steht auf einem anderen Blatt. Bedenklich ist auch manch kommerzielles Ansinnen. Vielerorts wird laut darüber nachgedacht, Krill für die menschliche Ernährung abzufischen. Was sich als schwierig erweist. Mit normalen Netzen lassen sich die Tierchen nicht fangen, sie schlüpfen hindurch. Allzu feinmaschige Netze lassen es an Festigkeit fehlen und reißen unter dem Gewicht der Schwärme. Doch selbst wenn es gelänge, tonnenweise Krill einzuholen, würden die filigranen Wesen unter ihrem eigenen Gewicht zu Brei zerquetscht.
Die Fischereibetriebe lassen sich davon nicht entmutigen. Emsig ist man bemüht, das Problem zu lösen und spezielle Krillnetze und Rohrsysteme zu entwickeln, mit denen man die Krebse ins Schiffsinnere saugen kann. Ungeachtet all dieser Schwierigkeiten landen jetzt schon mehr als 100.000 Tonnen Krill jährlich in Fischernetzen, vorwiegend in japanischen und polnischen. Noch steht nicht zu befürchten, wir könnten den Walen ihr Essen wegfressen. Dumm ist nur, dass sich die augenblickliche Zurückhaltung weniger tiefer Einsicht verdankt als
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