Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
Vom Netzwerk:
den Männern möglich gewesen, einen Wal zu erlegen, um ihren Hunger zu stillen, niemand hätte sie dafür zur Rechenschaft gezogen. So jedoch konnten sie sich selbst nicht mehr in die Augen schauen.
    Seit Jahrzehnten wird über Walfang debattiert, im ökologischen wie ethischen Kontext — immer gekoppelt an die Frage, bis zu welchem Grad Menschen über Tiere verfügen dürfen und ob Wale überhaupt noch Tiere sind. Verabschieden müssen wir uns von der Vision einer allgemein verträglichen Lösung. Uns wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als unsere Skrupel am Entwicklungsgrad unseres Gegenübers zu messen, also daran, wie menschlich er uns scheint. Und das ist wenig befriedigend. Denn Orcas könnten faktisch intelligenter sein als wir, philosophische Traktate verfassen und Raketenantriebe entwerfen, sie würden dadurch kein bisschen menschlicher, sondern blieben Orcas. Sie würden nicht unsere Werte teilen, sondern ihrer eigenen, entwicklungsgeschichtlich bedingten Ethik anhängen. Genau hier liegt aber das Problem. Möglicherweise sind wir Menschen gar nicht in der Lage, die Intelligenz und Kultiviertheit einer Spezies zu beurteilen, sobald sie den Rahmen unserer Werte sprengen. In einer Kultur hochintelligenter Außerirdischer könnte es beispielsweise als fortgeschritten und edel gelten, tote Artgenossen zu verspeisen, auch eigene Kinder. Es könnte als Ausdruck der Empathie verstanden werden oder des Respekts. Unsere Reaktion darauf wäre Unverständnis, wahrscheinlich Ekel. Wir würden keine anderen Werte erkennen, sondern lediglich einen Mangel an Werten. Wohin das führt, zeigt die Chronik des Kolonialismus. Mehr als einmal wurden den »Wilden« Manieren eingebläut.
    So sehr ich mir seit meinem ersten Perry-Rhodan-Heft gewünscht habe, die Ankunft Außerirdischer auf unserer Erde zu erleben, fürchte ich, es würde im Desaster enden. Menschen sind unfähig, Intelligenz, Bewusstsein und Emotionen auf einer Skala einzuordnen, die unseren Genen nicht eingegeben ist. Wir sind außerstande, Andersartigkeit zu verstehen. Bestenfalls meinen wir, er, sie, es hätte noch viel zu lernen.
    Weder einem Außerirdischen noch einem Orca werden wir uns also nähern, solange wir versuchen, das Menschliche in ihm zu entdecken. Wir sollen, ja müssen menschlich handeln! Zugleich ist es die Fähigkeit zur Differenzierung, zu verantwortlichem Handeln, zu Toleranz und Mitleid, was wahre, fühlende Intelligenz kennzeichnet. Dazu gehört auch, Werte zu akzeptieren, ohne sie nachvollziehen zu können. Chirurgen und Hirnforscher können in Tierschädel schauen, sie werden dennoch nie erfahren, wie intelligent Wale wirklich sind und wie ein Orca fühlt.
    Was bleibt, ist abzuwägen: Haben wir es mit einer uns zwar fremden, jedoch hochintelligenten und kultivierten, möglicherweise weit überlegenen Rasse zu tun? Diese Frage wird sich stellen, wenn wir eines Tages zu anderen Planeten reisen. Auf Erden lautet die Frage: Haben wir Tiere vor uns, die wir in vernünftigem Maße bejagen dürfen? Oder ist die Spezies so weit fortgeschritten, dass sie einen gewissen Grad an Kultiviertheit erlangt hat, ihre Umwelt und sich selber reflektiert und ihre Bejagung bewusst erlebt? Und wenn ja, auf welcher Bewusstseinsstufe lebt die Art?
    Und zweitens: Wie immer wir entscheiden, welchen Einfluss nehmen wir damit auf das Gesamtsystem des Planeten?
    Anders gefragt: Wozu sind Wale überhaupt gut?
    Lassen wir die Emotionen beiseite, sind sie zuallererst ein ökologischer Faktor. Sie erfüllen wichtige Funktionen, andernfalls hätte Miss Evolution sich nicht der Mühe unterzogen, solche Riesenkerle zu erschaffen. Zwei Walarten habe ich schon in kurzen Zügen vorgestellt, nämlich Furchenwale, exemplarisch den Buckelwal, sowie die Pottwale. Wenn wir heute vereinheitlichend von den »Walen« sprechen, vergessen wir mitunter, dass es sich um eine Vielzahl völlig unterschiedlicher Spezies handelt. Glattwale, Zwergglattwale und Furchenwale sind Bartenwale, die anstelle von Zähnen hornige Gardinen haben, so genannte Barten, mit denen sie Kleinstlebewesen und Fische aus dem Meer filtern. Im Gegensatz zu Furchenwalen können Glattwale ihren Kehlsack nicht aufpumpen. Stattdessen schwimmen sie langsam und mit geöffnetem Maul durch die Meere wie gewaltige Staubsauger, unter ihnen der atlantische und der pazifische Nordkaper, der Grönlandwal und der Südkaper. Irgendwo zwischen Glatt- und Furchenwal angesiedelt ist der Grauwal, der Merkmale von beiden

Weitere Kostenlose Bücher