Nachrichten aus einem unbekannten Universum
kehrt zurück ins Sonnenlicht. Ein ständiger Bewohner der Tiefe ist hingegen Architeuthis, der ebenso wenig leuchtet wie der Wal. Dennoch liefern sich beide mitunter heftige Kämpfe, die der Pottwal mal gewinnt und mal verliert, denn sein Gegner ist überaus groß und kräftig und besitzt einen Furcht erregenden Hornschnabel. Selbst die Saugnäpfe des Architeuthis sind mit winzigen Zähnchen bestückt, die sich zu Abertausenden in den Speck des Feindes bohren. Das größte bislang gefundene Architeuthis-Exemplar lag 1933 ziemlich ramponiert am Strand von Neufundland und maß 22 Meter. Bei der Obduktion gestrandeter Pottwale hat man jedoch Reste im Verdauungstrakt gefunden, die vermuten lassen, dass manche der gewaltigen Kalmare noch größer werden. Keine Taverne Griechenlands ist groß genug, um solche Calamari zu frittieren. Allerdings wäre es auch keine gute Idee. Das Gewebe der Architeuthen trieft vor Ammoniumchlorid, was ihm unter Wasser Auftrieb verleiht und jedem noch so tapferen Tintenfischliebhaber den Appetit vergällt.
Während die Dunkelzone für transparente Körper keine Verwendung hat, fallen in der darüber liegenden Restlichtzone neben leuchtenden auch durchsichtige Tiere ins Auge. Beziehungsweise nicht, denn Transparenz ist ein anderer Trick, um nicht gesehen zu werden. Einige Flohkrebse muten wie Produkte höchster Glasbläserkunst an, schimmernde Wesen mit riesigen Augen, spitzen Beinen und Furcht einflößenden Zangen. Beruhigend zu wissen, dass die Außerirdischen maximal 20 Zentimeter groß werden. Kleinere Krebse ähnlicher Bauart lassen sich im Inneren gleichfalls durchsichtiger Salpen transportieren, deren tönnchenförmige Körper ihnen einen idealen Platz zur Eiablage bieten. Fische, Kraken und Kalmare, selbst Schnecken samt Gehäuse sind hier unten vollkommen durchsichtig oder mit metallischen Reflektorschichten überzogen. Und doch wäre die gläserne Pracht nichts ohne ihre eindrucksvollsten Vertreter: die Quallen, allen voran die Staatsqualle.
Was genau unter einer Staatsqualle zu verstehen ist? Selbst ausgewiesene Fachleute rätseln noch. In Ermangelung eines besseren Begriffs bezeichnete sie der Biologe Ernst Haeckel im 19. Jahrhundert als »Person«. Definitiv hat man es nicht mit einem Einzeltier zu tun. Ob es sich allerdings um eine Kolonie vieler Individuen handelt, ist ebenso fraglich. Derzeit spricht man am liebsten von Superorganismen, zusammengesetzt aus Tausenden transparenter Nesseltiere, die je nach Aufgabe unterschiedliche Gestalt und Größe haben. Einige sind ausschließlich für die Versorgung zuständig. Sie bilden die Tentakel des Wesens, holen Beute ein und leiten sie an die verdauende Fraktion weiter. Anderen obliegt die Verteidigung, wieder anderen die Sensorik. Außerdem gibt es Spezialisten für die Fortpflanzung und wieder andere, die für Auftrieb sorgen.
Eine der größten Staatsquallen der Welt, Apolemia uvaria, auch Kettenförmige Staatsqualle genannt, wird mitsamt ihrer Arme bis zu 40 Meter lang. Kürzlich hat man die verblüffende Entdeckung gemacht, dass neu gebildete Tentakel blaugrün, ältere jedoch in tiefem Rot erstrahlen, offenbar, um Fische herbeizulocken — verblüffend insofern, als der Drachenfisch uns lehrt, dass rotes Licht ab einer gewissen Tiefe nur von seinesgleichen wahrgenommen wird. Offenbar gibt es Ausnahmen, wenngleich niemand Näheres dazu sagen kann.
Die bekannteste Staatsqualle ist zugleich auch die gefährlichste. Sie heißt Portugiesische Galeere und ist vom Boot aus gut zu erkennen. Ihr Trägerorganismus ist ein einziger riesiger, gasgefüllter Polyp, der aus dem Wasser ragt und mit dessen Hilfe die Kolonie vor dem Wind kreuzt wie ein Segelschiff. Demnach sind Staatsquallen keine Geschöpfe der Tiefsee. Allerdings lauert unterhalb der Wasseroberfläche das Verderben in Gestalt etlicher Fangarme, deren untere Spitzen in Tiefen bis zu 50 Metern reichen. Was sich in dem Geflecht verheddert, sollte seine Angelegenheiten geregelt haben, denn es wird sterben. Kräftemäßig kann das Staatsgebilde nicht beeindrucken, allerdings sind seine Arme wie die der Korallenpolypen mit unzähligen giftigen Nesselzellen bestückt. Eine flüchtige Berührung reicht, und das Gift verursacht Herzstillstand und Atemlähmung. Auch Menschen sind unter den Opfern Apolemias. Mit heiler Haut ist noch niemand davongekommen, gerade diese schwillt unter dem Nesselbeschuss schmerzhaft an. Schafft man es jedoch mit Hilfe anderer rechtzeitig zur
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