Nachrichten aus einem unbekannten Universum
Au ja, super, wer kommt noch? — Rosi und Bernd. — Toll, ich freu mich. — Dem Hairy Angler verraten wir aber nichts, okay? — Alles klar, ich sach nix.
Dennoch würde ich niemandem wünschen, im nächsten Leben als Drachenfisch auf die Welt zu kommen. Andererseits, wenigstens würden Sie dann zu den Jägern gehören. Wie aber schützen sich die Gejagten?
Damit kommen wir zu Regel Nummer zwei: Möglichst nicht gefressen werden. Angenommen, das Schicksal will es, dass Sie als Tiefseequalle wiedergeboren werden, sagen wir als Periphylla. Dann sollten Sie versuchen, sich überhaupt nicht zu bewegen. Biologen sprechen von Minenfeldtaktik. Falls Sie sich aber doch mal kratzen müssen und ein Jäger Sie ins Visier nimmt, warten Sie ganz cool, bis er Sie fast gepackt hat, und blitzen überraschend auf. Soll heißen, Sie verwandeln sich von einer Sekunde auf die andere in eine rotierende Leuchtreklame, was dem Angreifer den Schrecken in die Gräten jagt, denn plötzlich ist er den Blicken seiner Feinde ausgesetzt. Der Fachbegriff hierfür lautet Räuberalarm. Wer je mit einem Tauchboot in die unteren Schichten vorgedrungen ist, kann vom großen Feuerwerk berichten, das unvermittelt aufflammt:
Quallen, die ihrer Verärgerung nicht Luft, sondern Licht machen. Ihre Körper, ihre Tentakel, das ganze Viech erstrahlen taghell. Wer der Qualle Colobonema zu nahe kommt, dem schleudert sie außerdem ihre Fangarme entgegen und macht sich davon, während man noch mit ihren zuckenden Extremitäten beschäftigt ist.
Willkommen im Reich der Armleuchter.
Viele Arme sind der Beute Tod. In der Tiefsee stößt man auf illustre Gesellschaften räuberischer Tintenfische. Viele der zehnar- migen Tiefseekalmare biolumineszieren, allerdings nicht, um der Beute mit Tatütata und Blaulicht hinterherzuflitzen, sondern um ihrerseits Jäger zu verwirren, die es auf Armleuchter abgesehen haben. Der Kalmar Watasenia etwa sprenkelt seinen Körper mit Lichtpunkten, die seine Kontur auflösen, womit er sich vor den Augen seiner Verfolger regelrecht deformiert. Aus einem Einzeltier wird plötzlich eine Ansammlung vieler kleiner Tiere, was den Angreifer durcheinander bringt. Auf welches der Pünktchen soll er sich konzentrieren? Ähnlich schafft sich Lycoteuthis, die Wunderlampe, Feinde vom Hals. Der in drei Kilometern Tiefe beheimatete winzige Tintenfisch erstrahlt in allen Regenbogenfarben und verwischt so seine Konturen. Sein Vetter Liocranchia trägt stattdes- sen kreisförmig angeordnete Leuchtflecken um seine Augen, was Aggressoren den Eindruck zweier Quallen vermittelt — und die mag nicht jeder.
Ein ganz besonderer Fall von Armleuchter ist der »Vampir aus der Hölle«, der seinen leicht hysterischen Namen einer deutschen Tiefseeexpedition verdankt, die ihn Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Pazifik fischte. Dabei misst Vampyroteuthis infernalis eben mal zehn bis 15 Zentimeter, trägt allerdings Draculas Nachtgewand: Zwischen seinen Armen spannen sich umhangartige Häute. Außerdem ist Vampyroteuthis schwarz mit roten Nuancen und verwandt mit dem riesigen Architeuthis. Man sollte also nett zu ihm sein, sonst kommt die muskelprotzende Verwandtschaft. Wissenschaftler halten es für möglich, dass der Vampirtintenfisch seit 300 Millionen Jahren unverändert in der Tiefsee überdauert hat und damit nicht nur ein lebendes Fossil, sondern womöglich der Urvater aller heutigen Kalmare ist. Ein echter Untoter halt.
Wo es dunkel ist, kann er jedoch niemanden mit seinem Bela- Lugosi-Look beeindrucken, weshalb er zum Mittel der Biolumineszenz greift. Aus riesigen, rot oder blau leuchtenden Augen starrt er in die Welt — kein Tier hat so große Augen, verglichen mit der Körpergröße. Wird er angegriffen, krümmen sich seine Arme wie Krallen, und Lichtwellen huschen in rascher Folge darüber hinweg. Das alleine ist geeignet, den Angreifer nachhaltig zu verdattern, doch kann Vampyroteuthis noch mehr. So wie Tintenfische der oberen Schichten schwarze Wolken ausstoßen, vernebelt Vampyroteuthis die Sinne seiner Feinde mit Lichtschwaden, indem er ihnen Wolken von Leuchtbakterien entgegenschleudert. Bis sich der Geblendete wieder gefangen hat, ist der kleine Vampir schon in der Dunkelheit untergetaucht.
Auch in anderer Hinsicht verdient der Fledermauskalmar Aufmerksamkeit. Lange war man sich nämlich gar nicht schlüssig, ob es sich überhaupt um einen Kalmar oder eher um einen Kraken handelt. Trotz aller Ähnlichkeit mit den Kalmaren scheint Vampyro-
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