Nachrichten aus einem unbekannten Universum
keinen Zweifel. So zeigt eine seiner Illustrationen eine prachtvolle, riesige Schlange mit segmentiertem Reptilienkörper und Drachenkopf, die ein Handelsschiff attackiert und sich die Mannschaft schmecken lässt. Mutig, wer angesichts solchen Glaubens überhaupt zur See fährt.
Fast durchweg weisen sich Berichte über die schuppigen Giganten durch die Schilderung des drachen- oder pferdeartigen Kopfes aus. Bei Meer und Pferd denken wir natürlich sofort an das reizende, wenig monströse Seepferdchen. Doch dieses — auf Ehre und Gewissen! — kam anders in die Welt. Es entstammt nämlich den pazifischen Inseln und war dort in grauer Vorzeit ein echtes Landtier mit Hufen und wilder Mähne. Von einem Ufer zum anderen galoppierte es und litt so sehr unter der inselbedingten Platznot, dass es eines Tages beschloss, nur noch auf den Hinterbeinen zu gehen. Die Vorderbeine bildeten sich zurück, doch die Maßnahme half nicht wirklich. Immer noch war es rappelvoll auf den Inseln, also gingen die ersten Rösser ins Wasser. Dies nun erwies sich als prächtige Idee. Endlich Raum! So folgte allmählich die Umformung ins Riesenseepferd. Die Hinterbeine, ebenfalls nicht mehr von Nutzen, nahmen die Form eines geringelten Schwanzes an, die Mähne erstarrte zum dekorativen Kamm.
Während karibische Seepferde locker sechs Meter messen, weshalb Poseidon sie dazu verdonnerte, seinen Wagen zu ziehen, blieb den Pferden des Nordens die wahre Größe verwehrt. Im Gegenteil: Kaltes Wasser lässt schrumpfen. Hier entwickelten sich die Wassergänger zu Pferdchen im bekannten Format. Irgendwann hatten sie die nordische Kälte satt und zogen gen Äquator, den sie seither besiedeln. Riesenseepferde gibt es nach wie vor, aber sie leben in großer Tiefe und lassen sich auch mit altem Brot und Zuckerwürfeln nicht daraus hervorlocken. Nur gelegentlich nehmen Unterwassermikrophone ihr Wiehern auf, und in die Stirn der Wissenschaft graben sich tiefe Falten.
Jetzt glauben Sie mal nicht, dass ich Ihnen einen vom Pferd erzähle. Wie in allen Legenden steckt auch hierin erstaunlich viel Wahres. Etwa, dass Landtiere ins Meer zurückgingen, Extremitäten zurück- und andere dafür ausbildeten. Das Schrumpfen der Vorderbeine als Folge des aufrechten Gangs, davon legt jeder aufrecht gehende Saurier Zeugnis ab. Sodann die Transformation der Hinterbeine in einen seetauglichen Schwanz, schon erhält man einen Wal. Selbst die wunderschönen Einhörner finden ihre Entsprechung im Meer. Es sind die Narwale, welche den Mythos vom schneeweißen Wunderwesen jahrhundertelang nährten. Sehr zu ihrem Schaden übrigens. Einhornlegenden findet man rund um die Welt. Immer symbolisiert das Einhorn Weisheit, Reinheit, Güte und Stärke, manifestiert im spindelförmig gedrehten Horn. Speziell im Mittelalter schrieb man Einhörnern magische Kräfte zu. Tote könne man zurück ins Leben holen, wenn man sie kurz mit dem Horn berühre, auch Gift ziehe es aus Seen und Flüssen, Speisen und Getränken. Da es im Mittelalter zum guten Ton gehörte, einander zu vergiften, war man bei Hof ganz wild auf Einhornextrakte oder gar das Horn selbst.
Findigen Seeleuten war schon lange aufgefallen, dass es in nordischen Gewässern einen mehrere Meter langen Zahnwal gab, der so ein Horn mit sich herumtrug. Allerdings entspross es nicht seiner Stirn, sondern erwies sich als abnorm verlängerter linker Schneidezahn des Oberkiefers. Manche Wale hatten sogar zwei davon. Herausgebrochen, bis zu drei Meter lang, sahen sie verteufelt nach waschechten Einhornhörnern aus, ein Verkaufsschlager ohnegleichen, der fortan zu Talismanen, Trinkgefäßen und Schmuckstücken verarbeitet wurde. Schließlich galt der Narwal als nahezu ausgerottet. Bis in unsere Tage reicht der Spuk: In Asien schätzt man unverändert Pülverchen aus zerriebenem Narwal ... pardon, Einhorn.
Zurück zur Seeschlange.
Sie ringelt sich durch die Akte X der Kryptozoologie, dass Dana Scully und Fox Mulder ihre Freude hätten. 1746 sichtete der norwegische Kapitän Lorenz von Ferry etwas, das wie ein Pferd im Wasser aussah, mit flatternder weißer Mähne, jedoch einem langen, mehrfach gebuckelten Rumpf. 1817 gelangte die Stadt Gloucester in Massachusetts zu ihrer eigenen Nessie. Um die unzähligen Augenzeugenberichte auf Glaubhaftigkeit zu prüfen, wurde sogar eine Kommission ins Leben gerufen, die zu keinem schlüssigen Resultat kam. Ungeachtet dessen nahm halb Gloucester für sich in Anspruch, das rund 15 Meter lange Monster
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