Nachrichten aus einem unbekannten Universum
als Individuen wahrnehmen. Gewiss bleibt, dass sie keine Menschen sind und niemals sein werden. Vielleicht starten sie ja eines Tages in fliegenden High-Tech-Aquarien zu fernen Welten, wenn der Supermeteorit herangerast kommt, und hinterlassen uns ein freundliches »Macht’s gut und danke für den Fisch«, wie es Douglas Adams in Per Anhalter durch die Galaxis voraussagt. Vielleicht bleibt ihnen aber auch die Furcht vor dem Weltuntergang erspart, weil sie Vorgänge, die noch nicht stattgefunden haben, nicht verbildlichen können.
Solange es jenseits menschlicher Wertungen keine eindeutige Definition für Intelligenz gibt, bleibt es schwierig, diese im Meer nachzuweisen oder in Frage zu stellen. Die Ozeane eignen sich als Entwicklungsräume für höheres Bewusstsein ebenso wie die Erdoberfläche. Bis dahin verdienen alle dort lebenden Kreaturen vor allen Dingen eines: unseren Respekt.
Akte X
Mit vielem hatte Cristoforo Colombo — besser bekannt als Christoph Kolumbus — gerechnet, als er seine erste große Expedition vorbereitete. Jahrelang war er am spanischen Hof vorstellig geworden, hatte die Gunst des spanischen Monarchenpaars erwirkt, sich mit Kommissionen herumschlagen und drohen müssen, seine Reise von Frankreich aus zu starten, bis das Königshaus am 17. April 1492 endlich die »Kapitulation von Santa Fe« unterzeichnete, einen Vertrag über die Entdeckung eines westlichen Seewegs nach Asien. Man garantierte dem Italiener reichen Lohn sowie eine Reihe klangvoller Titel. Nichts schien dem kühnen Unterfangen noch im Wege zu stehen, das am 3. August seinen Anfang nehmen sollte.
Und dann das:
»Aber Herr! Wisst Ihr denn nicht, dass die Meere voller Ungeheuer und Seeschlangen sind? Im Meer der Finsternis lauern die Kreaturen der Hölle! Wir werden magnetische Berge passieren, die den Barkassen sämtliche Nägel entziehen, und jämmerlich versinken, sofern uns vorher keine der Ausgeburten Satans verschlungen hat!«
Und so weiter, und so fort.
Das Meer der Finsternis war natürlich der Atlantik. Es dauerte eine geraume Weile, bis Kolumbus erkannte, wie man ängstlichen Seeleuten das »Aber« in Aberglaube abkauft, nämlich indem man sie am zu erwartenden Gewinn beteiligt. Dafür waren sie schlussendlich bereit, sich den Gefahren zu stellen, an die sie dennoch felsenfest glaubten: Ein Narr, wer die Existenz von Seeschlangen abstritt. Berichte gab es schließlich zur Genüge.
Von allen vorstellbaren Ungetümen erfreuen sich vor allem Seeschlangen zeitloser Präsenz. Jörmungandr, die Midgardschlange, umspannte in der germanischen Mythologie die Welt. Zweimal versuchte Thor, ihr seinen Hammer über den Schädel zu ziehen, wozu er jedes Mal hinaus aufs Meer musste. Laokoon, der Troja verraten hatte, wurde zur Strafe samt seiner Söhne von einem gigantischen Reptil erdrückt, das aus dem Meer gekrochen kam. Hans Christian Andersen veranlasste der Mythos von der Weltenschlange, die sich in den Schwanz beißt, zu einem ironischen Märchen, in dem Fische und Wale den Versuch wagen, mit dem Monstrum zu reden. Es ist eine erstaunlich dünne, nichtsdestoweniger schwere Schlange, die sich einmal rund um den Globus gewickelt hat und keinerlei Reaktion zeigt. Wie auch, sie erweist sich als Tiefseekabel.
Mit schöner Regelmäßigkeit wird der schuppige Unhold auch heute noch gesichtet, vornehmlich in nördlichen Meeren. Glaubt man den Kryptozoologen (Forschern, die sich um den Nachweis sagenhafter Tiere bemühen), erreichen solche Schlangen Längen von bis zu 30 Metern und umfassen völlig verschiedene Arten.
Im Christentum hat die Schlange ohnedies mythische Bedeutung. Lesenswert in dem Zusammenhang ist die Historia de Gentibus Septentrionalibus des schwedischen Geistlichen Olaus Magnus, der Anfang des 16. Jahrhunderts eine ausgedehnte Seereise nach Norrland unternahm und aufschrieb, was Fischer in stürmischer Nacht gesehen haben wollten — und vielleicht sogar sahen. Eigentlich war Magnus Geograph und Kartograph, bekannt geworden durch seine detailgenaue Darstellung der nordeuropäischen Länder und Meere. Allerdings interessierte er sich ausgiebig für volkstümliche Mythologie. Speziell die skandinavischen Schilderungen erregten seine Neugier. Kartenmaler jener Zeit verzierten ihre Werke mit Schlachtszenen, Bildern landestypischer Gebräuche und wilden Tieren. Allerdings war Magnus ein aufgeklärter Mann. Allzu versponnene Berichte erregten sein Misstrauen. Nur an der Existenz von Seeschlangen hegte er
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