Nachrichten aus einem unbekannten Universum
dass Jupiters Gezeitenkräfte ihre Wirkung mal in dieser, mal in jener Region entfalten. Eisspalten, voll blühender Blattlingstädte, würden sich schließen, andere dafür öffnen. Will das Volk der Blattlinge nicht untergehen, muss es bereit sein, öfter umzusiedeln. Vielleicht, wenn ihm das ständige Nomadentum zu bunt wird, könnte es sein Heil im Ozean selbst suchen und sich durch die Spalten nach innen bohren. Dort unten würde es vielleicht in Vielfalt explodieren. Hätten sich Mehrzeller einmal auf Europa etabliert, wäre das nicht ausgeschlossen.
Skeptiker äußern Zweifel. Die einen halten Europa schlicht für zu kalt, um etwas so Komplexes wie DNS hervorzubringen. Andere geben zu bedenken, dass an der Oberfläche große Mengen Wasserstoffperoxid und konzentrierte Schwefelsäure nachgewiesen wurden. Die ätzende Brühe bedeckt das Eis vor allem dort, wo Wasser aus dem Inneren aufgestiegen ist. Daraus ergeben sich zwei Szenarien. Erstens: Im Ozean ist Magnesiumsulfat gebunden, das sich in Schwefelsäure wandelt, sobald es mit der Atmosphäre in Berührung kommt. Zweitens (und weit schlimmer): Der komplette Ozean besteht aus Schwefelsäure, weil am Meeresgrund Schwefelvulkane Gift und Galle spucken. In einem solchen Milieu hätte es das Leben verdammt schwer. Säure wirkt zersetzend, sie ist kein Förderer stabiler Gemeinschaften.
Man kann dagegenhalten, dass es manch irdischem Einzeller bei einem pH-Wert von null blendend geht. Kenneth Nealson beispielsweise, Leiter der Abteilung Astrobiologie am Jet Propulsion Laboratory der NASA, hält die Aufregung für übertrieben:
»Schwefel und Schwefelsäure sind mögliche Energiequellen für Lebewesen, da sie andere Stoffe oxidieren können. Auch unter sauren Bedingungen kann Leben entstehen.«
Wirft man einen Blick auf hydrothermale Lebensgemeinschaften, muss man Nealson beipflichten. Es wird also spannend bleiben. So spannend, dass 2008 der Start eines schwefelresistenten Roboters geplant ist, der auf Europa landen und sich ins Eis fräsen soll, um nachzusehen, wer da wohnt. Es empfiehlt sich, ihm reichlich Ersatzbohrer mitzugeben. Selbst am Äquator steigt Europas Temperatur nicht über minus 163 Grad Celsius. Bei solchen Werten wird Eis hart wie Granit. Alternativ denkt man darum über einen Kryobot nach, der sich ins Eis hineinschmilzt und ein Mini-U-Boot im Ozean absetzt. Noch besser wäre es natürlich, gleich schon in den oberen Eisschichten mit »Hallo!« und »Wie gehts?« empfangen zu werden. Freundliche Blattlinge würden dem Besucher von der Erde den Weg ins Innere weisen, wo er starke Lampen entzünden müsste, denn dieser Ozean ist finsterer als jeder Ozean auf Erden.
Vielleicht wäre es doch einfacher, auf Titan zu landen.
Titan ist einer der Monde eines anderen Planeten, des Saturn. Dichter, orangeroter Dunst, ähnlich unserer frühen Atmosphäre, bedeckt die Oberfläche, sodass man nichts von ihr sieht. Alles, was wir haben, verdanken wir der Sonde Cassini. Sie ist Titan mit Radar auf den Grund gegangen und hat eine Landschaft freigelegt, die recht jungen Ursprungs zu sein scheint. Kaum Einschlagkrater, dafür Gebirge und Canyons, möglicherweise Flüsse, Seen und ganze Ozeane. Menschliche Siedler würden sich nur kalte Füße holen. Bei durchschnittlich minus 180 Grad Celsius ist ohnehin kein flüssiges Wasser zu erwarten, nur flüssiges Methan. Leben hätte dennoch eine Chance. Es braucht nicht unbedingt freien Sauerstoff, wie uns die Geschichte des eigenen Planeten lehrt.
Wer oder was immer einmal auf Europa landen wird — die Folgen könnten tödlich sein. Nicht für uns. Sondern für etwaige Bewohner. Ein Landegefährt müsste 100 Prozent steril sein. Nicht die allerkleinste irdische Mikrobe dürfte ins fremde Milieu gelangen. Es käme einer außerirdischen Invasion gleich, nur unter umgekehrten Vorzeichen. Zu den harmlosen Folgen würde noch gehören, dass wir irdische Organismen versehentlich für Aliens hielten. Weit schlimmer wäre, dass sie den Mond kontaminieren könnten. In seinem Roman Krieg der Welten hat H. G. Wells dieses Szenario vorweggenommen: Nicht die Menschen sind es, die den unheimlichen Invasoren vom Mars schließlich den Rest geben, sondern harmlose Schnupfenviren.
Eisplaneten, die tektonisch aktiv sind und von Gravitationsfeldern anderer Himmelskörper regelmäßig durchgewalkt werden, bieten grundsätzlich gute Chancen, dass man unterhalb der Kruste flüssiges Wasser findet. Inwieweit sich ein kalter,
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