Nachrichten aus einem unbekannten Universum
erledigen. Treibe die Rinderherde des Phöniziers ans Meer. Europa und ihre Gespielinnen halten sich gerne bei den Tieren auf, sie werden ihnen dahin folgen. Und wozu soll das gut sein, fragte Merkur. Das geht dich einen Kehricht an, erwiderte Jupiter, komm in die Puschen, oder du bist die längste Zeit ein Gott gewesen.
Merkur tat, wie ihm geheißen. Mit Erfolg. Wenig später spielten Europa und ihre Freundinnen am Gestade. Plötzlich tauchte unter den Tieren ein wunderschöner weißer Stier auf. So freundlich blickte er drein, dass Europa hingerissen war. Sie streichelte und koste ihn, verwundert über seine Sanftmut, und schließlich stieg sie auf seinen Rücken.
Das hätte sie mal besser bleiben lassen.
Denn mit einemmal preschte der Bulle davon, stürzte sich ins Meer und schwamm mit der verängstigten Prinzessin bis nach Kreta, wo er sich in Jupiter zurückverwandelte, der er in Wirklichkeit war. Es steht zu vermuten, dass Europa dem Gott ausgesuchte Schimpfnamen zuteil werden ließ und seinem Vorschlag, sich der Kleider zu entledigen, eher zögerlich entsprach. Vielleicht darum sicherte ihr Jupiter zu, dieses und das ganze umliegende Land nach ihr zu benennen, damit sie endlich Ruhe gäbe und man zum Wesentlichen schreiten könne, dem dann prompt neun Kinder folgten.
So weit die wahre Geschichte. Der alte Gauner gelangte, wie wir wissen, zu planetaren Ehren. Als fünfter Planet umkreist Jupiter die Sonne. Aber auch Europa erntete himmlischen Ruhm. Und das kam so:
1610 blickte der italienische Gelehrte Galileo Galilei durch sein Fernrohr und machte im Umfeld Jupiters vier leuchtende Objekte aus, die ihn umkreisten. Sofort schloss er auf Monde. Das Delikate an der Entdeckung war, dass sie die Hypothese des ungeliebten Nikolaus Kopernikus stützte, wonach das Universum nicht geozentrisch, sondern heliozentrisch beschaffen war, sich die Himmelskörper also um die Sonne drehten. Den sichtbaren Beweis war Kopernikus schuldig geblieben. Galileo nun konnte zeigen, dass der kluge Nikolaus Recht hatte. Die Bewegung der vier Monde erfolgte eindeutig nicht um die Erde, vielmehr umkreisten sie einen der äußeren Planeten. Dies und einiges mehr äußerte er vernehmlich, was die Inquisition auf den Plan rief, brave Leute, die fleißig Holz sammelten und ganze Stapel davon anzündeten, damit Widerborste sich die Füße wärmen konnten. Galileo sah sich gezwungen zu widerrufen.
Ungeachtet dessen publizierte der deutsche Gelehrte Simon Marius vier Jahre später sein Buch Mundusjovialis, in welchem er sich als Entdecker der vier Monde präsentierte und verlauten ließ, er habe sie mehrere Tage vor dem italienischen Kollegen ausgemacht. Das Ganze artete erwartungsgemäß in Streit aus, den Historiker viel später salomonisch schlichteten: Heute spricht man zwar von den vier galileischen Monden, deren Namen gehen allerdings auf Marius zurück: Europa, Io, Kallisto und Ganymed. Letztere waren ebenfalls Geliebte des libidonösen Göttervaters, der damit noch kräftiger zulangte als Flavio Briatore.
63 Monde hat Jupiter insgesamt, einige winzig, andere gewaltig: Ganymed etwa übertrifft an Umfang den Merkur, Callisto ist unwesentlich kleiner. Diese weit außen zirkulierenden Monde bestehen vorwiegend aus Eis. Io und Europa hingegen kommen dem Jupiter ziemlich nahe und haben eine hohe Massedichte.
Uns interessiert primär Europa, auch Jupiter II genannt, der kleinste der galileischen Monde. Mit 3.121,6 Kilometern Durchmesser ist er größer als Pluto, wiegt aber nur das 0,008-Fache der Erde.
Er umkreist den Gasriesen mit einer Geschwindigkeit von 2 Kilometer in der Sekunde in einer mittleren Entfernung von 670.900 Kilometern, wozu er exakt drei Tage, 13 Stunden und 14,6 Minuten benötigt. Sein Kern dürfte aus Eisen oder Nickel bestehen, umgeben von einem Mantel aus Silikatgestein.
Darüber liegt ein unermesslicher Ozean.
Schon rein optisch ist Europa der auffälligste aller Monde im Sonnensystem, denn er leuchtet so stark, dass man ihn von der Erde aus mit einem simplen Feldstecher erkennen kann. 64 Prozent des Sonnenlichts werden von seiner Oberfläche reflektiert. Warum, wird deutlich, wenn man ihn einer genauen Betrachtung unterzieht: Die Kruste besteht aus blankem Eis. Bis auf wenige, flache Hügel ist sie vollkommen eben, jedoch überzogen von merkwürdigen, faserartigen Strukturen.
Eine Weile rätselte man, worum es sich dabei handelte. Offenbar sind es Gräben. Mal parallel, mal einander kreuzend, bis zu 1.600
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