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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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neue Superkontinent, der sich da zusammenklumpte, hieß Rodinia, doch auch er brach wieder auseinander, zu einem Zeitpunkt, als die Erde gerade Winterschlaf hielt. Denn rund 100 Millionen Jahre zuvor war etwas Außergewöhnliches geschehen. Etwas, das auf die Entwicklung des Lebens maßgeblichen Einfluss haben sollte.
    Es war kalt geworden.
    Nun sind Eiszeiten an sich nichts Merkwürdiges. Seit eh und je suchen sie den Planeten mit der Regelmäßigkeit schwiegermütterlicher Hausbesuche heim, machen sich eine Weile wichtig und verschwinden wieder. Nach allem, was wir heute wissen, liegt die älteste Eiszeit mehr als 2,3 Milliarden Jahre zurück. Genau genommen spricht man von Eiszeitaltern, also Perioden, in deren Verlauf mehrere Vereisungszyklen dicht aufeinander folgen. Wenn es im Wetterbericht mal wieder heißt: »Für die Jahreszeit zu kalt«, nehmen Sie’s nicht krumm. Wir leben gerade zwischen zwei Eiszeiten, auch wenn die globale Erderwärmung derzeit die bessere Presse hat und George W. Bush alles daran setzt, Wintermäntel in den Fundus der Geschichte zu verbannen. Tatsächlich ist die letzte Zwischeneiszeit gerade mal 10.000 bis 11.000 Jahre her, erdhistorisch gesehen ein Wimpernschlag. So oder so steht uns der nächste große Kälteeinbruch ins Haus. Wann genau, darüber differieren die Meinungen. In 5.000 bis 15.000 Jahren könnte es aktuellen Prognosen zufolge so weit sein. Paradoxerweise könnte der Treibhauseffekt die Vereisung sogar beschleunigen.
    Dazu muss man sich vor Augen führen, dass der Golfstrom, dank dessen wir es in Europa so gemütlich warm haben, nicht wirklich fließt, sondern von einer gigantischen Pumpe angezogen wird. Warmes Wasser ist leichter als kaltes, schwimmt also oben. Gen Norden wird es aber merklich kälter. Das warme Golfstromwasser kühlt sich ab, bis es schließlich vor Grönland unter seinem Eigengewicht in Kaskaden abstürzt, drei Kilometer tief bis auf den Grund des Grönländischen Beckens. Von dort fließt es als Tiefenwasser zurück nach Süden. Der zweite Grund, warum das Wasser abstürzt, ist sein Salzgehalt: Salziges Wasser wiegt mehr als süßes. Wenn nun die Erde erheblich wärmer wird, beginnen die nordpolaren Eismassen abzutauen. Und Eisberge bestehen aus Süßwasser. Die Schmelze würde das salzige Wasser des Nordens versüßen und damit verdünnen, als Folge würde es leichter, könnte nicht mehr in die Tiefe stürzen und keinen Sog erzeugen, und der Golfstrom würde aufhören zu fließen.
    Durch mindestens sechs Eiszeitalter — wenn man das aktuelle ausklammert — hat sich die Erde schon gebibbert. Was gegen Ende des Proterozoikums geschah, schlug jedoch alles Dagewesene. Heute künden davon gewaltige Sedimente aus Geröll, das von den Eismassen abgeschliffen und mitgeführt wurde. Tillite nennt man diesen verbackenen Gletscherschutt, der in Australien stellenweise bis zu 6.000 Meter dick ist. Mitte des vergangenen Jahrhunderts entdeckte man weltweit Tillite, die nachweislich aus ein und derselben Periode stammten — alle datierten aus einer Zeit zwischen 800 und 600 Millionen Jahren, was die Vermutung nahe legte, der Planet sei damals zu großen Teilen vereist gewesen. Man untersuchte weitere Tillit-Ablagerungen in anderen Landstrichen. Das Ergebnis war gespenstisch. Offenbar hatten nicht nur Teile der Welt unter Eis gelegen, sondern der ganze Planet. Die Erde hatte sich in einen gewaltigen, glitzernd weißen Schneeball im All verwandelt.
    Anfangs mochte niemand recht daran glauben. Zu unwahrscheinlich schien die Schneeball-Hypothese, auch wenn alle Forschungsergebnisse dafür sprachen. Niemand konnte sich vorstellen, was einen derartigen globalen Winter herbeigeführt hatte. Berechnungen ergaben schließlich, dass ein vollständiges Zufrieren der Erde nicht mehr aufzuhalten ist, sobald das Eis im Norden und Süden einmal über den 30. Breitengrad vordringt. Die polaren Eisfelder reflektieren Sonnenlicht und schicken einen Großteil der Wärme zurück ins All, sprich, je mehr Sonnenlicht reflektiert wird, desto kälter wird es auf der Erde. Ab einem gewissen Punkt lässt sich der Abkühlungsprozess nicht mehr stoppen. Unmöglich schien es also nicht, dass unser blauer Planet zeitweise komplett weiß gewesen war. Aber selbst wenn es stimmte — wie hatte die Erde dann wieder auftauen können?
    Immer noch wird heftig darüber diskutiert, ob die so genannte Varanger-Eiszeit wirklich den ganzen Planeten im Griff hatte oder nicht doch irgendwo ein paar

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