Nachrichten aus einem unbekannten Universum
einzige Funktion zu erfüllen hat, nämlich das Weibchen zu befruchten. Es übernimmt keine erzieherischen Aufgaben, geht nicht auf die Jagd, steht nicht für Diskussions- und Spieleabende zur Verfügung. Es spendet lediglich seinen Samen. Mehr kann das kleine Kerlchen nicht, aber es reicht für eine lebenslange Rente am Hintern von Madame.
Unter all den Herrschern der Meere haben auch die Ammoniten geherrscht. Einfach, weil sie zahlreich waren. Ebenso herrscht damals wie heute das Plankton, herrschen die Einzeller. Schlicht durch Masse. Im Verlauf von Jahrmillionen sind aus den bis zu zwei Meter großen, aggressiven Räubern, die im Stammbaum der Ammoniten vorherrschen, handliche Planktonfresser geworden. Gegen Ende der Kreidezeit verstarben sie leider an Planktonmangel, das wurde nämlich gerade weltweit knapp. Im Jura aber bestimmten sie das Bild der Meere. U-Boot-Geschwader vor Laurasia, Gondwana und Ost-Pangäa. Noch heute können wir uns ein Bild von ihnen machen, denn sie haben einen Nachfahren hinterlassen, den schon erwähnten Nautilus.
Die Belemniten waren da fortschrittlicher. Man ist nicht sehr beweglich, wenn man ständig sein ganzes Haus mit sich rumschleppen muss. Also verlegten sie ihr Zuhause ins Innere. Das gestattete ihnen, sich einen stromlinienförmigen Körperbau sowie ein Paar zusätzliche Flossen zuzulegen, mit Raketenantrieb dahinzuschießen und selbst flinke Beutetiere zu ergattern. Wo die Tentakel ansetzten, öffneten sich zwei hornige Kiefer, die bis heute ein charakteristisches Merkmal aller Tintenfische sind, der berühmte Papageienschnabel. Der schnappte schon bei Jules Verne nach armen Matrosen und zerbiss Muscheln und Krabbenpanzer. Belemniten waren also schwer verdaulich, was sie indes nicht vor dem Verzehr durch große Meeresechsen schützte. Fossilien sind geschwätzig, und so wissen wir, dass Ichthyosaurier es nicht anders hielten, als würden wir Austern im Ganzen essen und die Schalen hinterher auswürgen. Was der Magen nicht schaffte, wurde zurück ins Meer gespuckt, in diesem Fall belemnitische Donnerkeile.
Roher Tintenfisch schmeckt eben doch zum Kotzen.
Zu viele Könige
Wer war denn nun Herrscher der Meere? Ammoniten oder Belemniten?
Nun, auf seine Weise jeder, der viel fraß. Und ebenso jeder, der viel gefressen wurde.
Vor rund 145 Millionen Jahren beginnt die Kreidezeit, das letzte der drei Kapitel Sauriergeschichte. Sie endet vor 65 Millionen Jahren mit einem dramatischen Einschnitt, ohne den die Höherentwicklung der Säuger kaum stattgefunden hätte. Die waren zeitgleich mit den Sauriern zum Rennen um die besten Plätze angetreten, blieben aber vorerst schnüffelnde Mickerlinge, ratten- bis pudelgroß, darauf bedacht, sich tunlichst nicht zu mucksen. Dafür brachten die rührigen Echsen immer neue Variationen ihrer selbst hervor, lernten fliegen, wuchsen einander über den Kopf, rupften die ersten Blütenpflanzen und nahmen gerne mal ein Bad zur Auflockerung des Speisezettels. Lange genug hatten Ichthyosaurier das Monopol auf Fisch und Flutschiges besessen, doch schon im Jura erwuchs ihnen Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Die Paddelechsen stachen in See, um den Fischechsen die letzten Exemplare der ohnehin aussterbenden Ammoniten wegzufressen. Plesiosaurus und Elasmosaurus machten sich breit, und in der Kreide wurde es dann richtig eng.
Hätten Sie vor 100 Millionen Jahren an Bord der ISS die Erde umkreist, Sie wären verblüfft gewesen, wie sehr die Lage der Kontinente schon der heutigen entsprach. Der Atlantik hatte sich aufgetan im selben Maße, wie Nord- und Südamerika nach Westen gedriftet waren. Amerikas Norden und Europa hingen noch an einem Zipfel zusammen, dafür hatte die Tethys ihre Form verändert und trennte die europäischen Inseln von Afrika. Das heutige Mittelmeer ist ein kümmerlicher Rest des einst riesigen, tropisch warmen Meeres, in dem zur Kreidezeit die vielleicht größte Artenfülle überhaupt herrschte.
An Land entstanden völlig neue Ernährungsgeflechte, weil der Siegeszug der Blütenpflanzen Fluginsekten und neuartige Vögel hervorbrachte, deren Eier das kleine, räuberische Volk der Säuger zu keckem Diebstahl verleitete. Miss Evolution tobte sich so richtig aus!
Arten entwickelten sich praktisch über Nacht, jede nur vorstellbare ökologische Nische wurde besetzt. Vierbeinige Sauropoden wie Apatosaurus und Brachiosaurus reckten die Hälse zu zartem Blattwerk, bis diese länger waren als ihre Körper und über die Wipfel der
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