Nachrichten aus einem unbekannten Universum
den Beschreibungen glauben darf, wohnt da ein mopsfideler Plesiosaurus, der eines Morgens aufwachte und rief: »Wo sind denn alle?«, um festzustellen, dass alle ausgestorben waren.
Im Gegensatz zu den kurzhalsigen, krokodilähnlichen Pliosauriern wirkten manche Plesiosaurier, als habe man Wildgänse mit Robben gekreuzt. Der Körper war gerundet wie bei einem Weihnachtsbraten und lief in einen kurzen, spitzen Echsenschwanz aus, eher schon ein Bürzel. Cryptocleidus etwa besaß Paddel, die — wenn er mit gestrecktem Hals herangeflattert kam — den Schwingen einer Gans nicht unähnlich waren. Würde man einen Schwarm Cryptocleidae in zweihundert Metern Höhe über die Stadt dahinziehen sehen, könnte man sie für Zugvögel halten, allerdings sehr groß und vierfach geflügelt. Oberhalb der Schulterblätter erstreckte sich ein langer, biegsamer Hals mit kleinem Kopf. Cryptocleidus begnügte sich mit kleinen Fischen und Krebsen, die er mit dicht an dicht stehenden, gekrümmten Zähnen aus dem Wasser filterte.
Der Mark Spitz der Kreidezeit dürfte Dolichorhynchops gewesen sein — an Land ein watschelnder Tollpatsch, der einen aus spitzer Schnauze anblökte, unter Wasser ein Torpedo mit der Fähigkeit, in große Tiefen vorzustoßen und Riesentintenfischen auf den Leib zu rücken.
Mit das Bizarrste jedoch, was Ihnen in der Oberen Kreide hätte begegnen können, war Elasmosaurus.
Der Name klingt schon irgendwie biegsam. Mitte des 19. Jahrhunderts meinte der englische Paläontologe Dean Conybeare, Elasmosaurier ähnelten »Schlangen, die durch den Körper von Schildkröten hindurchgefädelt wurden«. Tatsächlich würde man einem Elasmosaurus keine Halsschmerzen wünschen, denn der Hals ist das mit Abstand Längste an dem Tier. Käme es zu Besuch, würde erst der winzige, zahngespickte Reptilkopf zur Tür reinschauen, dann folgten acht endlose Meter Hals, und wenn man sich eben damit abgefunden hätte, eine Kobra zu Gast zu haben, käme schnell noch ein rundlicher, sechs Meter langer Körper hinterhergeschlappt wie eine nachgelieferte Verlegenheitslösung. Viel Fisch müsste man dem Besucher offerieren, könnte ihn allerdings großzügig im Raum verteilen, weil der Schlangenhals kreisförmig hin und her peitschen und einen beachtlichen Radius leer räubern kann. Paläontologen vermuten, dass Elasmosaurus aufgrund seiner besonderen Bauweise wenig Lust verspürte, in größere Tiefen vorzustoßen, sondern an der Oberfläche trieb und den Kopf über Wasser hielt, um im Bedarfsfall blitzschnell hinabzustoßen. Auch er wird zu den Herrschern gerechnet.
Sie alle waren die Könige der Meere, und jeder wollte der Größte sein: Alleine drei Familien von Elasmosauriern sind bekannt, die es auf zwölf bis 14 Meter Länge brachten. Schließlich, als wäre das noch nicht genug des Riesenwuchses, gesellte sich am Ende der Kreide ein ganz perfider Zeitgenosse hinzu, der Mosasaurier. — Bei der Gelegenheit: Ich kann nichts für die Namen, wirklich nicht! Bis heute ist mir schleierhaft, warum Saurier nicht einfach Gabi oder Karlheinz heißen können oder wenigstens Der-sich-den-Fisch-holt. Da wären wir wieder bei der Schwierigkeit der korrekten Namensgebung, wie sie uns schon bei der Benennung der Erdzeitalter begegnet ist. Weitgehend hat man sich aufs Lateinische verständigt, aber würden Sie eine neue Art entdecken und zufällig Garibaldi heißen, hieße die Gattung wahrscheinlich Garibaldisaurus. In China hat man es traditionshalber nicht so mit dem Großen Latinum, weshalb alles, was die Grabungsstätten der Jangtse-Plattform ans Licht bringen, sprachlich dem Reich der Mitte zugeordnet wird. Haikouella, unser aller wurstiger Vorfahr, wurde in der Nähe des Ortes Haikou gefunden. Da können wir noch von Glück sagen, dass man ihn nicht in der Nähe von Popocatepetl oder Castrop-Rauxel aus dem Boden gekratzt hat.
Mosasaurus verdankt seinen Namen natürlich ebenfalls seinem Fundort. 1770 erstmals in der Nähe von Maastricht gefunden, ist das bis zu 16 Meter lange Biest mit dem Alligatorschädel also eine MaasEchse. Zuerst glaubte man, die Überreste eines gigantischen Krokodils entdeckt zu haben, aber die Extremitäten wollten nicht recht dazu passen, außerdem war das Tier zu lang, fast eine Seeschlange. Heute wissen wir, dass Mosasaurier eng verwandt mit Schlangen und Waranen sind und den Ichthyosauriern endgültig den Spaß verdarben, woraufhin diese beschlossen, sich aus der Evolution zu verabschieden. Unter Wasser müssen
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