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Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Nachrichten aus einem unbekannten Universum

Titel: Nachrichten aus einem unbekannten Universum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Riesenbäume hinauslugen konnten. Schlucken war dadurch eine zeitraubende Angelegenheit, das Grünzeug hatte eine ordentliche Strecke zurückzulegen. Die Zweibeiner kultivierten ihr Gebiss, legten dafür weniger Wert auf Vorderextremitäten, die sich ergo zurückbildeten — beim Tyrannosaurus Rex waren sie so klein geworden, dass der Arme nicht mal in die Hände klatschen konnte vor Freude über den leckeren, frisch erlegten Pflanzenfresser zu seinen Füßen. Dafür besaß sein Kopf die Ausmaße eines Kleinwagens, dessen Motorraum gespickt ist mit dolchförmigen Hauern.
    So viele Saurier brüllten aufeinander ein, dass manche sich den Stress nicht länger antun mochten und aufs Meer auswichen. Sie entwickelten ganz eigene Strategien, sich dem Leben im Wasser anzupassen. Während Ichthyosaurier den Bauplan der Fische fast vollständig übernommen hatten, pochten die Paddelechsen auf ihre Herkunft: Bloß nicht diese idiotische Schwanzflosse, ein echter Saurier trägt seinen Schwanz zugespitzt. Die Beine, gut, da lässt sich was machen, aber bitte keine Flossen. Vielleicht ein Zwischending. Paddel halt. Vier fleischige, lange Paddel, die wie Flossen funktionieren, mit denen man aber auch zur Eiablage an Land kriechen kann. Und was den Kopf angeht, gern etwas stromlinienförmiger, aber nicht zu sehr! — Der Saurier als solcher soll noch zu erkennen sein!
    So weit der Wunschzettel an Miss Evolution, die nichts einzuwenden fand und fortan fleißig Paddelechsen produzierte, vornehmlich Pliosaurier. Die neuen Räuber schnellten nicht wie Ichthyosaurier durchs Meer, sondern bewegten ihre vier Paddel wie Vogelflügel, sodass sie tatsächlich unter Wasser flogen. Auch im Ruhezustand gestatteten die Paddel einen souveränen Gleitflug, mit erstaunlichen Parallelen zu heutigen Flugzeugflügeln. Dafür hatte die Evolution den Pliosauriern einen überaus stabilen Knochenbau verliehen, fachgerecht durch Muskeln versteift, um den mächtigen Extremitäten Halt zu bieten. Der Preis dafür war der schon bekannte steife Rücken, den sie durch Eleganz zu kompensieren wussten. Im Verlauf von Jahrmillionen verkürzten sie ihre Hälse, legten sich größere Kiefer zu, brachten es auf Furcht erregende Geschwindigkeiten und eine Beißkraft, der selbst sehr große Haie und Fischsaurier wenig entgegenzusetzen hatten.
    Ein drei Meter langer Ichthyosaurier, der sich zu Anfang der Kreidezeit im sonnendurchfluteten Oberflächenwasser aalte, war gut beraten, hin und wieder einen Blick in die Tiefe zu werfen. Von dort konnte mitunter etwas Dunkles, Massiges auftauchen und blitzschnell in die Höhe schießen, um einen Testbiss anzubringen. Heute würde man den Angreifer bei flüchtigem Hinsehen für einen Wal halten, aber tatsächlich war das Liopleurodon mit bis zu 25 Metern Länge der größte Pliosaurier aller Zeiten. Sein Gebiss flößte selbst dem Vorläufer des Weißen Hais Respekt ein, der zur gleichen Zeit die Meere bewohnte und dem das Liopleurodon die Jagdtaktik abgeguckt hatte. Oder auch umgekehrt, jedenfalls neigten beide zur Überrumpelung: aus dem Nichts erscheinen, kurz reinbeißen und kosten, rasch wieder abtauchen, warten, bis das Opfer entkräftet ist, zurückkehren und ihm den Rest geben.
    Das Liopleurodon starb in der Unteren Kreide aus, aber nur, damit Brachauchenius seinen Platz einnehmen konnte, ein elf Meter langes krokodilartiges Ungeheuer, das zusammen mit dem gleich großen Kronosaurus die Meere unsicher machte. Man teilte sich die Arbeit. Brachauchenius knöpfte sich die Küsten Nordamerikas vor, Kronosaurus wütete Down under und empfahl sich der dortigen Tierwelt als Gourmand. Nahezu alles verschwand in seinem fast drei Meter langen Schädel. Kein Schildkrötenpanzer, der nicht zu knacken war, kein Ammonitenhaus, das der rasenden Abrissbirne trotzte. In der Kreide war es wieder wärmer geworden, abgeschmolzene Wassermassen hatten Australiens Küsten überflutet, und die Flachmeere boten riesigen Fischschwärmen Raum zur ungehemmten Verbreitung. Kronosaurus machte nicht nur den Ichthyosauriern das Leben schwer, denen er Beute und Leben nahm, sondern auch kleineren Pliosauriern, die darum in den Schutz der flacheren Meere auswichen. Auch das führte unter den Fischechsen zur Ausrufung des Notstands. Zu allem Überfluss bekamen sie es noch mit der skurrilen Verwandtschaft der Pliosaurier zu tun, den Plesiosauriern. Einer davon posiert bis heute auf wackeligen Fotos. Falls es das Ungeheuer von Loch Ness wirklich gibt und man

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