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Nachrichten aus Mittelerde

Nachrichten aus Mittelerde

Titel: Nachrichten aus Mittelerde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher J. R. R.; Tolkien Tolkien
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dem Heer Fingons, das die östlichen Grenzen Hithlums bewachte, oft lange von zu Hause fort. Kam er heim, beunruhigte und verwirrte er den Sohn durch seine schnelle Redeweise und seine Sprache, die mit fremdartigen Wörtern, Andeutungen und Spötteleien durchsetzt war. Zu dieser Zeit galt Túrins ganze zärtliche Zuneigung seiner Schwester Lalaith, doch er spielte nur selten mit ihr und zog es vor, sie ungesehen zu beschützen und sie zu beobachten, wenn sie auf dem Gras oder unter den Bäumen entlanglief. Dabei sang sie Lieder, wie sie sich die Kinder der Edain vor langer Zeit auszudenken pflegten, als die Sprache der Elben ihnen noch leicht von der Zunge ging.
    »Lalaith ist schön wie ein Elbenkind«, sagte Húrin zu Morwen, »doch, wahrlich, Elben leben länger. So hübsch sie ist, desto empfindlicher ist sie vielleicht.«
    Túrin, der diese Worte gehört hatte, grübelte darüber nach, aber er konnte sie nicht verstehen, denn Elbenkinder hatte er nie gesehen. Zu dieser Zeit lebte keiner der Eldar im Land seines Vaters, und nur ein einziges Mal hatte Túrin sie gesehen, als König Fingon mit vielen seiner Fürsten durch Dor-lómin geritten war und sie in silbernem und weißem Glanz die Brücke über den Nen Lalaith passiert hatten.
    Doch bevor das Jahr vorüber war, erwies sich, dass sein Vaterdie Wahrheit gesagt hatte, denn der Verfluchte Wind kam nach Dor-lómin, Túrin wurde krank und lag lange in Fieber und dunklen Träumen darnieder. Aber als er wieder gesund wurde, weil sein Schicksal es wollte und die Lebenskraft in ihm stark war, fragte er nach Lalaith. Doch die Kinderfrau antwortete: »Sprich nicht mehr von Lalaith, Sohn Húrins, doch nach deiner Schwester Urwen musst du deine Mutter fragen.«
    Und als Morwen zu ihm kam, sagte er zu ihr: »Ich bin nicht mehr krank und will Urwen sehen; aber warum darf ich nicht mehr Lalaith sagen?«
    »Weil Urwen tot ist und das Lachen in diesem Hause verstummt ist«, antwortete sie. »Doch du lebst, mein Sohn, und ebenso der Feind, der uns dies angetan hat.«
    Sie versuchte weder ihn noch sich selbst zu trösten, sondern ertrug stumm ihren Schmerz und wappnete ihr Herz mit Eis. Húrin jedoch trauerte offen, und er nahm seine Harfe, um ein Klagelied anzustimmen. Doch es gelang ihm nicht, und er zerbrach die Harfe, ging hinaus, reckte die Hand gen Norden und rief: »Verderber Mittelerdes, geschähe es, dass ich dir von Angesicht zu Angesicht gegenüberstünde, so würde ich dich verderben, wie es mein Herr Fingolfin getan hat!«
    In der Nacht aber, als er allein war, weinte Túrin bitterlich, wenn er auch seiner Mutter gegenüber den Namen seiner Schwester niemals wieder aussprach. Nur einem Freund vertraute er sich in dieser Zeit an, erzählte ihm von seinem Kummer und der Leere des Hauses. Dieser Freund hieß Sador und war ein Knecht im Dienst Húrins; er war lahm und wurde nur gering geachtet. Er war Holzfäller gewesen, der, weil das Unglück es wollte oder er die Axt nicht recht führte, sich den rechten Fuß abgeschlagen hatte. Das fußlose Bein war verkrüppelt, und deshalb nannte Túrin ihn Labadal, was ›Hüpf-Fuß‹ bedeutete. Gleichwohl missfiel Sador dieser Beiname nicht, denn er war Túrins Mitleid entsprungen und nicht seinem Spott.Sador arbeitete auf den Vorwerken, wo er kleine Gegenstände von geringem Wert herstellte oder Dinge ausbesserte, die im Hause gebraucht wurden, denn in der Bearbeitung von Holz war er sehr geschickt. Um Sadors Bein zu schonen, brachte ihm Túrin, was er für seine Arbeit brauchte. Manchmal trug er heimlich einige Werkzeuge und Holzstücke herbei, auf die niemand achtgab, denn er glaubte, sein Freund könne etwas damit anfangen. Dann lächelte Sador und gebot ihm, die Geschenke an ihren Platz zurückzubringen. »Habe eine offene Hand«, sagte er, »aber verschenke nur, was dir selber gehört.« So gut er konnte, belohnte er die Freundlichkeit des Kindes und schnitzte ihm Menschen- und Tierfiguren. Doch am meisten Freude hatte Túrin an Sadors Geschichten. Dieser war nämlich in den Tagen der Bragollach ein junger Mann gewesen und liebte es, sich der Erinnerung an jene kurze Zeit zu überlassen, in der er ein vollwertiger Mann gewesen war, bevor er zum Krüppel wurde.
    »Es war eine große Schlacht, sagt man, Sohn Húrins. In der großen Not jenes Jahres wurde ich von meiner Arbeit in den Wäldern fortgerufen. Aber ich habe an der Bragollach nicht teilgenommen, wo ich vielleicht auf ehrenhaftere Weise eine Verwundung erlitten

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