Nachrichten aus Mittelerde
und seufzte. »Sie sind ein wunderbares und gerechtes Volk und sie besitzen Macht über die Herzen der Menschen. Und doch denke ich manchmal, dass es besser gewesen wäre, wenn wir sie niemals getroffen hätten, sondern bescheidenere Wege gewandelt wären, denn ihr Wissen ist uralt, und sie sind stolz und festen Sinnes. In ihrem Licht werden wir undeutlich oder brennen mit allzu heißer Flamme, und das Gewicht des Verhängnisses lastet schwer auf uns.«
»Aber mein Vater liebt sie«, sagte Túrin, »und ohne sie ist er nicht glücklich. Er sagt, fast alles, was wir wissen, hätten wir von ihnen gelernt und seien durch sie zu einem edleren Volk geworden. Und er sagt auch, dass die Menschen, die vor kurzem über die Berge gekommen sind, kaum besser sind als Orks.«
»Das trifft zu«, erwiderte Sador, »zumindest auf einige von uns. Doch der Aufstieg ist qualvoll, und aus großer Höhe fällt man leicht herab.«
Zu dieser Zeit war Túrin fast acht Jahre alt, und nach dem Kalender der Elben war es im Monat Gwaeron des Jahres, das unvergesslich bleiben wird. Schon munkelten die Älteren über eine große Sammlung und Musterung von Waffen, doch der Junge hörte nichts davon. Húrin, der den Mut und die Verschwiegenheit seiner Frau kannte, sprach oft mit ihr über die Pläne der Elben-Könige und was geschehen könne, wenn sie gut oder schlecht ausgingen. Sein Herz war voller Hoffnung, und er hatte wenig Furcht vor dem Ausgang der Schlacht, denn er glaubte nicht daran, dass irgendeine Macht in Mittelerde die Eldar in ihrer Kraft und Größe würde besiegen können. »Sie haben das Licht im Westen gesehen«, sagte er, »und am Ende muss die Finsternis vor ihren Gesichtern fliehen.« Morwenwidersprach ihm nicht, denn in seiner Gegenwart erschien die Hoffnung immer glaubwürdiger als anderswo. Aber in ihrem Geschlecht war auch die Kenntnis des Elbenwissens überliefert worden, und sie sagte zu sich selbst: Haben sie nicht doch das Licht verlassen und sind sie nicht jetzt von ihm ausgeschlossen? Es kann sein, dass die Herren des Westens sie aus ihren Gedanken verbannt haben, und wie können gerade die Älteren Kinder eine der Mächte besiegen?
Auf Húrin Thalion schien kein Hauch eines solchen Zweifels zu liegen. Doch eines Morgens im Frühling erwachte er nach unruhigem Schlaf, und an diesem Tag lag ein Schatten auf seiner strahlenden Zuversicht. Am Abend sagte er plötzlich: »Wenn ich zu den Waffen gerufen werde, Morwen Eledhwen, werde ich den Erben des Hauses Hador in deiner Obhut zurücklassen. Das menschliche Leben ist kurz, und sogar in Friedenszeiten ist man gegen böse Zufälle nicht immer gefeit.«
»Das ist immer so gewesen«, antwortete sie, »doch was verbirgt sich hinter deinen Worten?«
»Vorsicht, nicht Zweifel«, entgegnete Húrin, er sah jedoch sorgenvoll aus. »Aber jemand, der nach vorn blickt, muss Folgendes bedenken: Die Dinge bleiben nicht, wie sie waren. Was vor uns liegt, ist ein großer Wurf, und eine Seite wird dabei zu Fall kommen. Sind es die Elben-Könige, die fallen, dann muss es mit den Edain ein böses Ende nehmen, und wir sind es, die dem Feind am nächsten wohnen. Doch wenn die Dinge schlecht ausgehen, werde ich nicht zu dir sagen:
Habe keine Furcht!
Denn du fürchtest nur, wovor man sich fürchten sollte, und nur dieses allein. Furcht bringt dich nicht zur Verzweiflung. Aber ich rate dir:
Warte nicht!
Ich werde zu dir zurückkehren, wenn ich kann, doch warte nicht auf mich! Ziehe in den Süden, so schnell du kannst. Ich werde folgen, und ich werde dich finden, müsste ich auch ganz Beleriand absuchen.«
»Beleriand ist groß und bietet keinen Unterschlupf für Vertriebene«, sagte Morwen. »Wohin soll ich fliehen, mit wenigen oder mit vielen Begleitern?«
Darauf dachte Húrin eine Weile schweigend nach. »Die Familie meiner Mutter lebt in Brethil«, sagte er. »Das ist etwa dreißig Meilen von hier, wenn man dem Flug des Adlers folgt.«
»Wenn eine solch schlimme Zeit kommt, welche Hilfe können Menschen gewähren?«, sagte Morwen. »Das Haus Beor ist gefallen. Wenn das mächtige Haus Hador fällt, in welche Löcher soll sich das kleine Volk von Haleth verkriechen?«
»Sie sind nur sehr wenige und unerfahren, doch zweifle nicht an ihrer Tapferkeit«, sagte Húrin. »Wo sonst ist Hoffnung?«
»Du sprichst nicht von Gondolin«, sagte Morwen.
»Nein, dieser Name ist niemals über meine Lippen gekommen«, erwiderte Húrin. »Doch es trifft zu, was dir zu Ohren gekommen ist: Ich
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