Nachrichten aus Mittelerde
sein Schwert und stellte sich dem Feind entgegen. »Morwen«, rief er, »jetzt soll dein Spötter für seinen Hohn bezahlen!« Er zerhieb Saeros’ Schild, und dann gingen sie mit blitzenden Klingen aufeinander los. Doch Túrin war lange durch eine harte Schule gegangen, er war ebenso behende geworden wie jeder Elbe und kraftvoller dazu. So gewann er bald die Oberhand, und nachdem er Saeros’ Schwertarm verwundet hatte, war dieser in seiner Gewalt. Darauf setzte er den Fuß auf das Schwert, das Saeros hatte fallen lassen, und sagte: »Saeros, du hast einen langen Lauf vor dir, und Kleider könnten dich dabei hindern. Deine Haare mögen dir genügen.« Undindem er ihn plötzlich zu Boden warf, entkleidete er ihn. Saeros spürte Túrins überlegene Kraft und fürchtete sich, doch Túrin ließ ihn aufstehen und rief: »Lauf! Lauf! Und wenn du nicht rennst, so schnell wie ein Hirsch, werde ich dich von hinten anspornen!« Saeros floh in die Wälder, wild um Hilfe rufend, doch Túrin folgte ihm wie ein Jagdhund. Mochte Saeros geradeaus rennen oder seitlich ausbrechen, immer war Túrins Schwert hinter ihm, um ihn anzutreiben.
Saeros’ Schreie machten viele andere auf die Hetzjagd aufmerksam, und sie folgten ihr, doch nur die Schnellsten konnten es mit den beiden Läufern aufnehmen. Einer davon war Mablung. Dieser war sehr besorgt, und obwohl ihm Saeros’ Spott bösartig erschienen war, glaubte er, dass »Niedertracht, die am Morgen erwacht, sich in Morgoths Freude verwandelt, wenn es Nacht wird«. Außerdem galt es als ein ernster Verstoß, jemandem aus Eigensinn Schande zuzufügen, ohne dass der Streit vor ein Gericht gebracht worden wäre. Zu dieser Zeit wusste niemand, dass Saeros Túrin zuerst und mit der Absicht, ihn zu töten, angegriffen hatte.
»Halt ein, Túrin!«, schrie Mablung. »Alles ist ein Werk der Orks in den Wäldern!« Doch Túrin rief zurück: »Ork-Werke im Wald für Ork-Worte in der Halle!«, und sprang erneut hinter Saeros her. Dieser, an jeder Hilfe verzweifelnd und im Glauben, der Tod sei ihm dicht auf den Fersen, rannte ungestüm weiter. Plötzlich kam er an eine Felskante, wo ein Zufluss des Esgalduin durch hohe Felsen in einen tiefen Spalt floss, der so breit war, dass ein Hirsch hätte hinübersetzen können. Von übergroßer Furcht getrieben, versuchte Saeros den Sprung, doch auf der anderen Seite des Spalts verlor er den festen Halt, aufschreiend fiel er zurück, und sein Körper wurde beim Aufprall auf einen großen Stein im Wasser zerschmettert. So endete sein Leben in Doriath, und Mandos würde ihn lange bei sich behalten.
Túrin blickte auf den im Fluss liegenden Leichnam hinab und dachte: »Unglücklicher Narr! Von hier aus hätte ich ihn nach Menegroth zurückgehen lassen. Nun hat er mir eine Schuld aufgeladen, die ich nicht verdient habe.« Er wandte sich um und sah finster Mablung und dessen Gefährten entgegen, die nun herbeikamen und neben ihm an der Felskante standen. Nach einem Schweigen sagte Mablung: »Wohlan! Kehre mit uns zurück, Túrin, denn der König muss über diese Vorfälle Gericht halten.« Doch Túrin erwiderte: »Wäre der König gerecht, würde er mich freisprechen. Aber war nicht dieser hier einer seiner Ratgeber? Warum sollte ein gerechter König ein böswilliges Herz einem Freund vorziehen? Ich schwöre seinem Gesetz und seinem Urteil ab.«
»Deine Worte sind unklug«, sagte Mablung, obwohl er insgeheim Mitleid mit Túrin empfand. »Du sollst nicht davonlaufen. Ich bitte dich, mit mir zurückzukehren, als ein Freund. Wenn der König die Wahrheit erfährt, kannst du auf seine Verzeihung hoffen. Außerdem gibt es noch andere Zeugen.«
Aber Túrin war der Elben-Hallen überdrüssig, er fürchtete, man könne ihn zum Gefangenen machen, und er sagte zu Mablung: »Ich schlage dir deine Bitte ab. Um nichts in der Welt werde ich nach der Vergebung König Thingols streben. Ich werde dorthin gehen, wo sein Urteilsspruch mich nicht finden wird. Du hast nur zwei Möglichkeiten: Entweder du lässt mich unbehelligt gehen, oder du erschlägst mich, wenn eurem Gesetz dadurch Genüge getan ist. Um mich lebend in die Hände zu bekommen, seid ihr zu wenige.«
Seine Augen verrieten ihnen, dass er es ernst meinte, sie ließen ihn gehen, und Mablung sprach: »Ein Tod ist genug.«
»Ich habe ihn nicht gewollt«, sagte Túrin, »aber ich beklage ihn nicht. Möge Mandos ein gerechtes Urteil über Saeros sprechen. Sollte er jemals zu den Gefilden der Lebenden zurückkehren,
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