Nachrichten aus Mittelerde
Gaurwaith, die Wolfsmänner. Ungefähr fünfzig dieser Männer hatten sich zu einer Bande zusammengeschlossen, die die Wälder jenseits der westlichen Marken Doriaths unsicher machte. Sie wurden kaum weniger gehasst als die Orks, denn unter ihnen waren hartherzige Ausgestoßene, die Groll gegen ihre eigeneArt in sich trugen. Der grausamste unter ihnen war ein Mann namens Andróg, der aus Dor-lómin fortgejagt worden war, weil er eine Frau erschlagen hatte; auch andere stammten von dort: Algund, der Älteste der Bande, der aus der Nirnaeth geflohen war; oder Forweg, wie er sich selbst nannte, der Anführer, ein großer, starker Mann mit hellem Haar und glitzernden unsteten Augen, der sich weit entfernt hatte von den ehrlichen Wegen der Edain aus Hadors Volk. Sie waren sehr wachsam, sandten, ob sie umherzogen oder lagerten, Kundschafter aus und stellten Wachen auf. Auf diese Weise wurden sie Túrins schnell gewahr, als er sich ihren Schlupfwinkeln näherte. Sie schlichen hinter ihm her, zogen einen Ring um ihn, und als er auf eine Lichtung in der Nähe eines Flusses trat, fand er sich plötzlich von Männern mit gespannten Bogen und gezückten Schwertern eingekreist.
Túrin blieb stehen, doch er zeigte keine Furcht. »Wer seid ihr?«, fragte er. »Ich war der Meinung, nur Orks lauerten Menschen auf, doch ich sehe, dass ich mich geirrt habe.«
»Diesen Irrtum könntest du bereuen«, sagte Forweg, »denn dies sind unsere Schlupfwinkel, und wir erlauben anderen Menschen nicht, sie zu betreten. Wir nehmen ihr Leben als Pfand, damit sie sich freikaufen.«
Darüber lachte Túrin. »Von mir werdet ihr kein Lösegeld bekommen. Ich bin ein Ausgestoßener und Geächteter. Ihr könnt mich durchsuchen, wenn ich tot bin, aber es wird euch teuer zu stehen kommen, die Wahrheit meiner Worte nachzuprüfen!«
Dennoch schien ihm der Tod gewiss, denn viele Pfeile waren auf die Kerben gelegt und erwarteten den Befehl des Hauptmanns. Keinen der Feinde konnte er mit einem schnellen Sprung und gezücktem Schwert erreichen, doch am Flussufer sah Túrin vor seinen Füßen einige Steine. Plötzlich bückte er sich, und in diesem Augenblick ließ einer der Männer, durchTúrins Worte gereizt, den Pfeil von der Sehne schnellen. Doch er flog über Túrin hinweg, und aufspringend warf dieser mit großer Kraft und sicherer Hand einen Stein auf den Bogenschützen. Dieser fiel mit zertrümmertem Schädel zu Boden.
»Lebend könnte ich euch von größerem Nutzen sein und den Platz dieses unglücklichen Mannes einnehmen«, sagte Túrin, und sich an Forweg wendend fügte er hinzu: »Wenn du hier der Hauptmann bist, solltest du diesen Männern nicht erlauben, ohne Befehl zu schießen.«
»Ich habe es ihm nicht erlaubt«, antwortete Forweg, »aber er ist rasch genug dafür bestraft worden. Ich will dich an seiner Stelle aufnehmen, wenn du meine Befehle besser achtest.«
Darauf erhoben zwei der Geächteten ein Geschrei gegen ihren Anführer, von denen einer, Ulrad genannt, ein Freund des Getöteten war. »Eine merkwürdige Art, sich Zutritt zu einer Kameradschaft zu verschaffen«, sagte er, »indem man einen ihrer besten Männer tötet.«
»Ich bin herausgefordert worden«, gab Túrin zur Antwort, »aber kommt nur heran! Ich will es mit euch beiden aufnehmen, mit Waffen oder mit bloßen Händen. Dann werdet ihr sehen, dass ich geeignet bin, einen eurer besten Männer zu ersetzen.« Mit diesen Worten ging er kampfbereit auf sie zu, aber Ulrad zog sich zurück und wollte nicht kämpfen. Der zweite Mann warf seinen Bogen zu Boden und musterte Túrin von Kopf bis Fuß. Dieser Mann war Andróg aus Dor-lómin.
»Ich kann es mit dir nicht aufnehmen«, sagte er endlich kopfschüttelnd. »Ich denke, keiner von uns kann es. Für meinen Teil kannst du dich uns anschließen. Aber du hast etwas Rätselhaftes an dir. Du bist ein gefährlicher Mann. Wie heißt du?«
»Neithan, der Gekränkte, nenne ich mich«, sagte Túrin, und so wurde er später auch von den Geächteten genannt. Aber obwohl er ihnen erzählte, dass er eine Ungerechtigkeit erlittenhätte (und jedem, der dasselbe von sich behauptete, lieh er jederzeit bereitwillig sein Ohr), enthüllte er doch nichts weiter über sein Leben oder über seine Heimat. Doch es blieb ihnen nicht verborgen, dass er einem höheren Stand angehört hatte und von ihm herabgesunken war, und wenn er auch nichts als seine Waffen besaß, waren diese doch von Elbenschmieden gemacht. Bald gewann er ihre Achtung, denn er war
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