Nachrichten aus Mittelerde
erwiderte der alte Mann. »Aber sie ist mit ihrer Tochter fortgegangen, und dieser Brodda hat ihr Haus geplündert und alles geraubt, was noch übrig war. Nicht einmal ein Hund wurde verschmäht, und ihr kleines Gesinde wurde versklavt, außer einigen, die betteln gingen wie ich. Ich habe ihr viele Jahre gedient, und zuvor dem großen Meister Sador Einfuß: Hätte es nicht vor langer Zeit in den Wäldern eine verfluchte Axt gegeben, läge ich jetzt im Großen Grab. Ich erinnere mich gut an den Tag, an dem Húrins Sohn fortgeschickt wurde, wie er weinte; und seine Mutter auch, nachdem er gegangen war. Man sagte, er ging ins Verborgene Königreich.«
Nach diesen Worten verstummte der alte Mann und blickte Túrin unsicher an. »Ich bin ein alter Mann, und ich schwätze viel«, sagte er. »Nimm nicht ernst, was ich sage! Aber wenn es auch Freude macht, in der alten Sprache mit jemandem zu reden, der sie so rein spricht wie in vergangenen Tagen, so sinddoch die Zeiten schlecht, und man muss auf der Hut sein. Nicht alle, die die reine Sprache sprechen, sind auch reinen Herzens.«
»Wahrlich«, sagte Túrin. »Mein Herz ist düster. Wenn du aber fürchtest, ich sei ein Spion aus dem Norden oder Osten, dann besitzt du weniger Klugheit, als du sie vor langer Zeit hattest, Sador Labadal.«
Der alte Mann starrte ihn entgeistert an. Dann sagte er mit zitternder Stimme: »Komm nach draußen! Es ist dort kälter, aber sicherer. Für die Halle eines Ostlings sprichst du zu laut und ich zu viel.«
Als sie auf den Hof getreten waren, umklammerte Sador Túrins Mantel. »Vor langer Zeit habt Ihr in jenem Haus gewohnt, sagt Ihr? Fürst Túrin, Sohn Húrins, warum seid Ihr zurückgekommen? Endlich öffnen sich mir Augen und Ohren. Ihr habt die Stimme Eures Vaters. Doch der junge Túrin gab mir als Einziger den Namen Labadal, und er hatte dabei nichts Böses im Sinn, denn in jenen Tagen waren wir fröhliche Freunde. Was sucht er jetzt hier? Wir Übriggebliebenen sind wenige, wir sind alt und ohne Waffen. Jene im Großen Grab sind glücklicher.«
»Ich bin nicht mit dem Gedanken an Kampf hergekommen«, sagte Túrin, »obwohl deine Worte ihn jetzt in mir geweckt haben, Labadal. Aber das muss warten. Ich bin gekommen, um Frau Morwen und Nienor zu suchen. Was kannst du mir über sie sagen?«
»Wenig, Herr«, sagte Sador. »Sie gingen heimlich weg. Unter uns flüsterte man sich zu, Fürst Túrin habe sie gerufen. Wir zweifelten nämlich nicht daran, dass er mit den Jahren mächtig geworden war, ein König oder ein Fürst in irgendeinem Land des Südens. Doch es scheint, dass es nicht so ist.«
»Es ist nicht so«, entgegnete Túrin. »Zwar war ich in einem Land des Südens ein Fürst, doch jetzt bin ich ein Landstreicher. Aber gerufen habe ich sie nicht.«
»Dann weiß ich nicht, was ich Euch sagen soll«, sagte Sador. »Doch zweifle ich nicht, dass Frau Aerin es wissen wird. Sie kannte alle Pläne Eurer Mutter.«
»Wie kann ich zu ihr gelangen?«
»Das weiß ich nicht. Es würde ihr viel Leid eintragen, wenn man sie dabei ertappen würde, wie sie zwischen Tür und Angel mit einem wandernden Vagabunden flüstert, der dem mit Füßen getretenen Volk angehört; sogar eine Botschaft könnte sie nicht aus der Halle locken. Und ein Bettler, wie Ihr einer seid, wird nicht weit in diese Halle und zur vornehmen Tafel vordringen, denn vorher werden die Ostlinge ihn packen, verprügeln oder noch schlimmer mit ihm verfahren.«
Da rief Túrin in hellem Zorn: »Ich soll Broddas Halle nicht betreten dürfen, und sie werden mich prügeln? Komm und sieh selbst!«
Darauf ging er in die Halle, warf seine Vermummung ab, und indem er alles beiseite stieß, was sich ihm in den Weg stellte, schritt er auf die Tafel zu, an welcher der Herr des Hauses, sein Weib und vornehme Ostlinge saßen. Da rannten einige herzu, um ihn zu packen, doch er schleuderte sie zu Boden und rief: »Gebietet niemand in diesem Haus, oder ist es eine Festung der Orks? Wo ist der Hausherr?«
Darauf erhob sich Brodda zornig. »Ich gebiete in diesem Haus«, sagte er.
Doch bevor er fortfahren konnte, sagte Túrin: »Dann hast du die Ritterlichkeit nicht gelernt, die vor deiner Zeit in diesem Lande zu Hause war. Ist es jetzt bei Männern Sitte geworden, zuzulassen, dass Lakaien die Verwandten der Ehefrauen misshandeln? Ich bin ein solcher Verwandter, und ich habe ein Anliegen an Frau Aerin. Darf ich ungehindert näher treten, oder soll ich kommen, wie es mir behagt?«
»Tritt
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