Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Titel: Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Heinze
Vom Netzwerk:
Linie kleben oder diese eindimensional rauf- und runtermarschieren musste. Doch mit der Zeit gewöhnte ich mich notgedrungen daran und arrangierte mich mit meiner neuen Rolle. Irgendwann fand ich auch hier meinen Spaß und erfreute mich daran, meine Seite für den Gegner durch geschicktes Stellungsspiel und Zweikampfverhalten dichtzumachen oder vorne Flanken zu schlagen.
    Mein Hauptproblem war aber, dass ich offensiv doch etwas limitiert war. Trotz meiner Schnelligkeit brachte ich häufig zu wenig Impulse nach vorne. Nicht umsonst zieht es im modernen Fußball immer wieder geschulte offensive Außenspieler nach hinten in die Verteidigung. An das defensive Stellungsspiel müssen sich viele dann erst anpassen. Aber gerade das eins gegen eins im vorderen Drittel ist diesen Spielern durch ihre vorherige Ausbildung in Fleisch und Blut übergegangen. Mir fehlte das doch ein wenig. Aber wichtig war mir jetzt nur, dass ich überhaupt spielen durfte. Dazu empfand ich es sogar als eine gewisse Auszeichnung, als Rechtsfuß meistens auf der linken Seite zu spielen, denn das kann sicher nicht jeder.
    In der kommenden Saison 2008/2009 wurde aus den besten Teams der beiden vorherigen Regionalligen eine deutschlandweite 3. Liga eingeführt. Wir hatten uns durch unser Abschneiden in der Vorsaison dafür qualifiziert und freuten uns alle sehr auf den Start der neuen Spielzeit. Etwa in der Mitte der Vorrunde wurde ich in drei Spielen am Stück nur eingewechselt, ansonsten blieb ich aber bis zur Winterpause unangefochtene Stammkraft, jetzt meistens als Rechtsverteidiger, nur noch gelegentlich links. Und noch viel wichtiger, ich blieb verletzungsfrei. Bis heute sollte es dabei bleiben.

[zur Inhaltsübersicht]
    16.5.
    Olli Kahn und der große Schock
Im Mandala Inn kostet die Übernachtung nur halb so viel wie in den Romeo Bungalows. Aber an dem Zimmer sieht man auch, warum. Vor allem das Bett ist doch sehr eigen. Es gleicht einem Wunder, dass mir nach dem Aufstehen nicht der Rücken weh tut. Denn das ist kein Bett, sondern eher eine Steintischtennisplatte aus dem Pausenhof. Ein bisschen vermisse ich in diesem Moment mein eigenes Schlafnest aus der Heimat.
    Eins der Dinge, die mir am meisten fehlen werden, ist die Kulisse. Geld und Ruhm hin oder her. Aber es gibt einfach nichts Aufregenderes, als vor einem Publikum mit mehreren tausend Zuschauern zu spielen, auch auswärts. Wenn man dort auf den Platz einläuft, kommt man sich vor wie ein Gladiator, der in das Colosseum einmarschiert. Dieses Kribbeln im Bauch und das aufsteigende Adrenalin sind mit nichts zu vergleichen.
    Am 2. September 2008 ereignete sich das wohl größte Erlebnis meiner kurzen Karriere. Oliver Kahn gab sein Abschiedsspiel in der Allianz-Arena. Die Paarung lautete FC Bayern gegen die deutsche Nationalmannschaft. Von unseren Profis spielten natürlich einige auch gleichzeitig im Nationalteam. Und so kam es, dass in der Bayern-Mannschaft einige Spieler fehlten, weil sie in der gegnerischen Startelf standen. Für elf Leute reichte es zwar locker, aber nicht für einen gesamten Mannschaftskader, bestehend aus achtzehn Spielern. Also wurde aufgefüllt mit Jungs von den Amateuren. Insgesamt waren es vier Leute. Und da unter anderem auch ein rechter Verteidiger benötigt wurde und ich zu der Zeit Stammspieler auf dieser Position war, fiel die Wahl auch auf mich.
    Als ich die Treppen aus dem Bauch der Arena heraus direkt auf den Platz stieg und mich, gemütlich einen Ball vor mich herdribbelnd, umsah, realisierte ich zum ersten Mal, wo ich hier überhaupt gelandet war. Im Garten Eden eines Fußballers. Ich hatte bis dato schon öfter mal vor größeren Kulissen gespielt. Aber das hier war etwas anderes, etwas bedeutend Größeres.
    Ich saß zunächst auf der Bank, und es sah nicht danach aus, dass ich eingewechselt werden würde. Trotzdem hoffte und wartete ich natürlich darauf wie ein kleines Kind an Weihnachten auf die Geschenke. Nervös rutschte ich auf meinem bequem gepolsterten Sitz hin und her. Das Spiel wurde eine Viertelstunde vor Schluss unterbrochen, und Olli Kahn ging für immer aus dem Tor. Er lief seine wohlverdiente Ehrenrunde, während die Spieler durchatmen konnten. Da kam auf einmal Rechtsverteidiger Massimo Oddo an die Bank gelaufen, unterhielt sich wenige Meter von mir entfernt auf Italienisch mit Jürgen Klinsmann und zeigte dabei mit seinem Finger auf seinen hinteren Oberschenkel. Oddo wird beim FC Bayern, wenn überhaupt, als Fehleinkauf in Erinnerung

Weitere Kostenlose Bücher