Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
denn es ist viel zu bewölkt.
Ein starker Wind weht hier am Meer. Als ich so dasitze auf meinem Felsen, erfasst mich plötzlich eine heftige Böe und schleudert mir meine Kappe vom Kopf. Sie landet gute zwei Meter unter mir auf einem niedrigeren Gesteinsabschnitt, der schon halb im Wasser liegt. Nach kurzem Zögern entschließe ich mich, meine Kappe zurückzuerobern. Nicht mit mir! Ich muss warten, bis gerade keine Welle kommt, springe barfuß hinunter, lande um ein Haar auf einem Seestern, greife mir die Mütze und ziehe mich mit einem Satz wieder zurück auf meinen Felsen. Ein paar Zehntelsekunden später trifft auch schon die nächste Welle ein und kracht knapp unter mir gegen die Wand. Ich bin gerade noch trocken geblieben. Im Gegensatz zu meiner Kappe. Egal, Hauptsache, ich habe das Teil wieder. Hat zwar nur ein paar Euro gekostet, aber das interessiert mich nicht. Hier geht es schließlich ums Prinzip.
Ich mache noch viel zu viele Fotos vom Tanah Lot aus allen erdenklichen Positionen und informiere mich anschließend über Fahrmöglichkeiten. Hier bin ich ziemlich weit ab vom Schuss, und es ist schon spät. Zu meiner Überraschung findet sich dennoch ein netter Fahrer, der mich direkt mit dem Auto nach Ubud, meiner nächsten Station, bringt. Am späten Abend erreiche ich Balis Kulturstadt schlechthin, im Zentrum der Insel gelegen. Ich suche mir ein einfaches und günstiges Zimmer auf Anraten meines schlauen Reiseführers. Mein Homestay liegt in einer gemütlichen Seitenstraße in der Nähe vom Zentrum. Im Schein der Straßenbeleuchtung schlendere ich wenig später die Hauptstraße entlang und setze mich in das erste sympathische Restaurant, das ich finden kann. Es war ein langer Tag, und ich habe mächtig Hunger.
Der Kellner spricht mich sofort an und verwickelt mich in ein nettes Gespräch. Er ist siebenundzwanzig und heißt Made, genauso wie Susis Mitarbeiterin in den Romeo Bungalows. Die Betonung des Namens liegt auf der zweiten Silbe und hat im Übrigen keinen geschlechtlichen Bezug, wie ich von dem Kellner erfahre. Er bedeutet lediglich der oder die Zweitgeborene. Fast alle Balinesen tragen zusätzlich noch eine wahre Kette an Vor- und Zunamen. Das Restaurant schließt, aber Made und ich quatschen noch eine ganze Weile weiter. Über seine Frau, die Kinder, über Ubud, Bali im Allgemeinen, und er will auch viel über Deutschland und München von mir wissen. Ein wirklich netter Kerl und ideal, um mein Englisch aufzufrischen. Die meisten Leute hier sprechen recht gut Englisch. Zwar mit einem äußerst gewöhnungsbedürftigen Akzent, aber man kann sich problemlos verständigen.
Es ist kurz vor Mitternacht, als ich mich auf den Rückweg mache. In meiner Seitenstraße sehe ich kaum die Hand vor Augen, die Beleuchtung ist unzureichend. Langsam taste ich mich vorwärts, als plötzlich die Hölle ausbricht. Zwei oder drei Hunde springen auf und kläffen mich furchterregend an, sodass ich erschrocken einen Satz nach hinten mache. Ich kann sie in der Dunkelheit nicht sehen, nur hören. Will ich einen Schritt weitergehen, bellen sie noch lauter und aggressiver. Keine Chance, ich drehe um. Alleine gehe ich da sicher nicht vorbei. Ich haste also zurück zur Hauptstraße, die um diese Zeit wie ausgestorben ist. Doch nach wenigen Augenblicken kommt mir eine Frau mit einem Motorbike entgegen. Schüchtern deute ich ein leichtes Heranwinken an, bin mir aber nicht sicher, ob die junge Dame meine seltsame Gestik überhaupt wahrnehmen kann. Sie fährt an mir vorbei, macht dann aber einige Meter später halt und dreht um. Ich schildere ihr mein Problem mit den für meinen Geschmack etwas zu zutraulichen Vierbeinern. Sie bittet mich auf ihr Gefährt, wir rauschen ohne Probleme an den Kötern vorbei, sie setzt mich vor meiner Anlage ab, verabschiedet sich und braust davon. Ich bin begeistert von ihrer Hilfsbereitschaft und der Selbstverständlichkeit, mit der sie sich meiner annahm.
Auf dem Platz hatte ich die Selbstverständlichkeit früherer Tage endlich wiedergefunden. Meine Fitness und das Gefühl für den Ball, den Raum auf dem Feld, überhaupt für das gesamte Spiel, mit all den vielzitierten Automatismen, waren zurück. Und mit ihnen das Selbstvertrauen. Das Kahn-Spiel hatte ich heil und vor allem mit Stolz überstanden, und zum Ende der Vorrunde machte ich ein paar meiner besten Saisonspiele. Es hätte eigentlich nicht besser laufen können.
Auf der Heimreise vom letzten Spiel in Berlin war ich ein rundum zufriedener
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