Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
Und das wollte ich auch gar nicht nach der langen Verletzung. Die Sommerpause nutzte ich natürlich, um zu trainieren. Während die Kollegen in den wohlverdienten Urlaub starteten, trainierte ich beinahe täglich allein an der Säbener Straße. Ich hatte schließlich eine Menge aufzuholen. Ein speziell für mich ausgearbeitetes Trainingsprogramm sollte mich wieder fit machen und an meine alte Leistungsstärke heranführen.
In der freien Zeit zwischen meinen Trainingseinheiten verfolgte ich genau so euphorisiert und begeistert wie der Rest des Landes die Weltmeisterschaft im eigenen Land. Und bekam dadurch nur noch mehr Lust auf Fußball. Aber es brauchte weit mehr als lediglich die paar Wochen Sommerpause, um wieder in Form zu kommen. Die Faustregel besagt, dass man nach einer Verletzung etwa dieselbe Zeit benötigt, die sie andauerte, um wieder hundert Prozent fit zu werden. In der Tat brauchte ich in etwa die ganze Saison, um wieder annähernd an meine alte Leistungsstärke anzuknüpfen, eher sogar etwas länger. Zwischendurch hatte ich Zweifel, ob ich überhaupt jemals wieder meine alte Fitness erreichen würde. Ich gab alles, aber eine Zeitlang war es wie verhext, und ich fiel immer wieder in ein kleines Leistungstief. Es war viel schwerer, sich wieder heranzuarbeiten, als ich vorher erwartet hatte. Mal spielte ich in der Startelf auf meiner Position im defensiven Mittelfeld, mal saß ich nur draußen auf der Bank, mal wurde ich in der Schlussphase eingewechselt.
Zu dieser Zeit erlebte gerade Mats Hummels seinen Aufstieg in unser Team und bekleidete dabei einige Male meine Position vor der Abwehr, sodass ich mich über mangelnde Konkurrenz ohnehin nicht beschweren konnte. Das war zugegebenermaßen ein cleverer Schachzug vom Trainer, denn auf dieser Position lernte Mats auch die spielerische Komponente kennen, was ihm später beim Aufbauspiel als Innenverteidiger sehr zugute kommen sollte. Ähnlich lief es später bei Holger Badstuber ab, der anfangs ebenfalls fast alle Spiele im defensiven Mittelfeld absolvierte, bevor er weiter nach hinten rückte.
Zu der verschärften Konkurrenzsituation auf meinem Posten kamen immer wieder kurze Pausen aufgrund kleinerer Verletzungen. Das ist normal, wenn man so lange keinen Leistungssport mehr gemacht hat. Besonders weil ich für das Mannschaftstraining vom Trainer nicht wirklich behutsam aufgebaut wurde, sondern gleich in die Vollen ging. Da zwickt es schon mal in der Muskulatur. Der Fußballalltag hatte mich jedenfalls wieder, vom reinen Spaß am Spiel war nicht mehr viel übrig. Aber das war auch absehbar gewesen. Ich biss mich durch und ließ nicht locker. Gegen Ende der Saison war ich fast wieder der Alte.
«Ganz klar Ball gespielt, Schiri!» Auch wenn ich in dieser Situation wohl doch einen Schritt zu spät kam, so kämpfte ich mich nach und nach wieder heran an die alte Form.
Dann begann im Juni 2007 die Vorbereitung auf die nächste Saison. Ich fühlte mich gut, endlich hatte ich die Schufterei hinter mir gelassen, ich war bereit, neu anzugreifen, und rechnete mir gute Chancen auf einen Stammplatz aus. Doch schon nach wenigen Minuten des allerersten Trainings knickte ich mit dem Fuß um. Ich wusste sofort, dass etwas kaputt war. Das mir bereits bekannte Knacken im Fuß hatte es mir verraten. Diagnose: Syndesmosebandriss im Sprunggelenk. Zehn Wochen Pause. Ich konnte es nicht fassen! Da hatte ich mich endlich wieder zurückgearbeitet, und dann das. Die ersten Tage zerfloss ich in Selbstmitleid und bekam große Zweifel, bis ich mich erneut aufraffte und beschloss zu kämpfen. Und auch diese Zeit verging.
Allerdings ging das Spiel wieder von vorne los. Nach der Reha dauerte es erneut eine Weile, bis ich wieder komplett auf der Höhe war. Die Vorrunde war damit so gut wie gelaufen. Zur Rückrunde nahm ich dann einen neuen Anlauf. Ich spielte eine starke Vorbereitung und stand, für mich etwas überraschend, trotzdem nicht in der Startelf. Ein Spiel später, auswärts beim FSV Frankfurt, sollte aber meine Stunde schlagen. Ich wurde nach einer halben Stunde für einen unglücklich spielenden Kollegen eingewechselt und machte eine sehr gute Partie. Sogar ein Tor bereitete ich per Flanke mit meinem schwächeren linken Fuß vor.
Der Syndesmosebandriss war ärgerlich, doch war er nur ein kleiner Zusatz zu der vorherigen Geschichte mit den Narben. Denn diese einjährige Verletzung traf mich genau in einer der wichtigsten Phasen für einen Fußballer – dem Übergang
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