Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
Trainers, um schon am Anfangsbuchstaben abzulesen, ob er meinen Namen an die Stelle der in Frage kommenden Position schrieb oder die eines Konkurrenten.
Ich wusste an diesem Tag natürlich genau, dass ich spielen würde, und sah der Besprechung entspannt entgegen. Viel Feedback zum Gegner bekamen wir nicht, lediglich ein paar Basisinformationen über den einen oder anderen Spieler. Es ging dabei mehr um einige letzte taktische Anweisungen, die unser eigenes Spiel betrafen. Nach etwa zehn Minuten war die Sache durch.
Wer wollte, konnte sich bei einem Spaziergang noch etwas die Beine vertreten. Ich zog es vor, direkt aufs Zimmer zu gehen und schnell die Frisur für das Spiel in Form zu bringen, denn Fußballer sind eben in der Regel schon ein wenig eitel. Und selbstredend galt es, noch ein letztes Mal die Tasche zu checken und das gesamte Hotelzimmer wie ein Geheimdetektiv auf mögliche vergessene Dinge zu inspizieren. Selbst auf den Boden legte ich mich und sah unter dem Bett nach.
Im Hinterkopf hatte ich seit dem Aufstehen permanent das Spiel, was für mich allerdings ganz normal war. So langsam machte sich dann ein Kribbeln immer stärker in mir breit, eine Mischung aus Vorfreude – auf die Kulisse und meine Premiere als Spielführer – und beängstigender Ungewissheit, wie das Spiel laufen würde. Mit dieser ganz eigenen, aber mir durchaus vertrauten Art von Nervosität vor einem Spiel stieg ich um 12 Uhr 15 in unseren Bus. Die meisten Jungs waren versunken in die Klänge ihres MP3-Players, einige machten selbst jetzt noch ein kleines Nickerchen. Nur wenige redeten miteinander, es herrschte eine angespannte Stimmung. Ich hörte ebenfalls für ein paar Minuten ein wenig Musik.
Dann nahm ich die Kopfhörer ab und zog aus meiner Hosentasche unauffällig ein paar persönliche Notizen auf einfachen Papierblättern, die ich gerne vor einem Spiel las. Ein kleines Sammelsurium aus Ratschlägen, die ich aus diversen Büchern gesammelt hatte. Sie bedeuteten mir sehr viel, und ich hätte sie unter keinen Umständen jemand anderem gezeigt. Sie dienten mir zur Fokussierung und Beruhigung, um nicht übermotiviert in ein Spiel zu gehen. Auch wenn dieses Lesen auf der Fahrt zum Stadion doch recht ungewöhnlich war, fast jeder Fußballer hat so ein Ritual, und das war eben meines.
Gegen 12 Uhr 30 erreichten wir das Stadion in Dresden. Als wir durch das Tor fuhren, machten uns einige gegnerische Anhänger schon relativ früh deutlich, was sie von uns hielten und welchen ihrer Finger sie am liebsten zur Schau stellten. In den Katakomben stellten wir kurz unsere Sachen ab und betraten dann gemütlich das Spielfeld. Das Stadion war noch fast leer, als ich mit meinen Fingern die Beschaffenheit des Rasens testete. Bei so einer Platzbesichtigung ging es vor allem um die richtige Schuhwahl. Die Entscheidung, ob man Noppen- oder Stollenschuhe anzog, war an diesem Samstag allerdings eher unerheblich. Denn der Platz war ohnehin sehr rutschig, da er aufgrund der Witterung der vergangenen Tage gefroren war. Man konnte zwar darauf laufen, doch optimalen Halt hatte man definitiv nicht. Ich entschied mich dennoch, wie eigentlich immer, für Stollen, falls der Platz im Laufe der Zeit doch aufweichen würde und ich guten Halt bräuchte.
Noch ein kurzer Smalltalk mit einem Kollegen aus Jugendzeiten, der nun beim Gegner kickte, dann zurück in die Kabine zum Umziehen. Eine Radlerhose unter der eigentlichen Spielhose war für mich immer obligatorisch, aber das ist freilich Geschmackssache. Bereits in den kurzen Hosen, aber noch ohne Trikot, sondern in Trainingsshirts und Pullovern, liefen wir um 13 Uhr 25 in das Stadion ein. Schon jetzt wurden wir lautstark ausgepfiffen, obwohl viele Fans noch gar nicht vor Ort waren. Überhaupt musste Dynamo an diesem Tag eine Sanktion des DFB über sich ergehen lassen aufgrund diverser Fanausschreitungen. Das Kartenkontingent war drastisch reduziert worden, sodass leider nur 5000 Leute zuschauen konnten, obwohl ansonsten gut und gerne 15000 Fans dabei gewesen wären.
Für das Aufwärmen hatten wir einen festen Ablauf an Übungen. Einlaufen ohne Ball, zu zweit ein paar Pässe spielen mit der Kugel, gemeinsames Lauf-ABC, Dehnübungen, eine kleine Spielform in zwei Teams und zum Schluss ein paar Schüsse auf das Tor. Anschließend wieder zurück in die Kabine und endgültig spielfertig machen. Ich brachte meine Schienbeinschoner an, zog Shirt und Pullover aus und streifte mir mein Trikot mit der Nummer
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