Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Titel: Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Heinze
Vom Netzwerk:
Sachsen. Ich vertrieb mir mit ein paar Jungs die Zeit bei einer Runde Poker an einem der elektronisch verstellbaren Tische im hinteren Teil des Busses, schaute einen Film auf meinem Laptop, nachdem niemand einen guten Streifen für die Allgemeinheit auf den Fernsehbildschirmen mitgebracht hatte, und döste zwischendurch ein wenig in meinem Ledersitz.
    Nach rund fünfeinhalb Stunden zäher Fahrt erreichten wir nachmittags unser Hotel. Schnell die Ballsäcke, Trikotkisten, Massagebank und was sonst so alles dazugehört aus dem Bus ausgeladen, die eigene Tasche auf das neubezogene Zimmer gebracht, flugs in die im Raum des Physiotherapeuten bereitgelegten Trainingsklamotten geschlüpft, und schon traf man sich wieder vor der Rezeption zur Abfahrt. Nach wenigen Minuten Fahrtzeit dann auf einem nahe gelegenen Sportplatz eines kleinen Vereins das Abschlusstraining. Lockeres Warmlaufen, ein wenig Passspiel. Das allseits beliebte fünf gegen zwei, bei dem die den Ball jagenden Spieler in der Mitte bei einer Extrarunde ab fünfundzwanzig Kontakten einen kleinen Beitrag in die Mannschaftskasse entrichten mussten. Selbiges galt für den Unglücksraben, der unter allseits höhnischem Gelächter einen Beinschuss verpasst bekam. Ein paar explosive Antritte für die nötige Spritzigkeit, das war’s auch schon. Die lange Fahrt aus den Beinen bekommen und locker anschwitzen, heißt so was im Fachjargon.
    Zurück im Hotel, stand die ewige Frage unter Zimmergenossen im Raum, wer von beiden zuerst duscht. Anschließend das Hotelrestaurant ausfindig gemacht und pünktlich zum Abendessen erschienen. Schweinsbraten oder ein stattliches Dessertbuffet suchte man vergeblich, das Angebot pendelte wie üblich zwischen Nudeln, Kartoffeln, Reis, Gemüse und Putenfleisch oder leichtem Fisch. Gut gesättigt dann ab auf die Zimmer und die Füße hochgelegt. Ein wenig im Buch gelesen, einen Film im Fernsehen geschaut und natürlich mit dem Zimmerkollegen ausgiebig getratscht über Privates, aber selbstverständlich auch über das morgige Spiel. Um zehn sollte jeder auf seinem Zimmer sein, aber wirkliche Kontrollen gab es eigentlich nie, denn in der Regel hatte auch niemand etwas davon, die Bettruhe zu missachten. Noch in den Jugendmannschaften war das häufig strenger gehandhabt worden. Auch wurde uns nun freigestellt, wann wir tatsächlich schlafen gingen. Der eine pennt eben schon um zehn, während der andere vor halb eins in der Nacht kein Auge zumacht.
    Am nächsten Morgen gab es Frühstück bis 8 Uhr 30. Wieder zurück auf das Zimmer, wieder warten. Wieder lesen oder fernsehen. Oder noch einmal für eine Weile die Augen schließen. Ich schlief an diesem Tag noch mal rund eine Dreiviertelstunde. Stand danach auf, absolvierte meine gewohnten Dehnübungen auf dem Zimmerboden und verstaute meine Sachen für das Match in der Tasche. Das ewige Spielchen mit dem Packen fand ich immer sehr nervig. Für einen Außenstehenden wäre es aber wohl köstlich gewesen, dieses Schauspiel zu beobachten. Man packt eigentlich immer das Gleiche ein, doch ich überprüfte meine Tasche mindestens fünf Mal, bevor es losgehen konnte. Was das anging, war ich ein richtiger Kontrollfreak, denn meine größte Sorge war es, eines Tages in der Kabine vor einem Spiel zu merken, dass ich keine Schienbeinschoner dabei- oder, gar noch schlimmer, keine Fußballschuhe parat hatte. Nicht auszudenken. Ging es in ein Trainingslager, stand ich vermutlich länger vor meiner Tasche als jede Frau vor ihrem Koffer für eine sechswöchige Rundreise durch Südamerika.
    Als ich endlich das Gefühl hatte, an alles gedacht zu haben, konnte ich einigermaßen ruhigen Gewissens zum Mittagessen gehen. Wobei Mittag nicht wirklich das richtige Wort ist für eine Portion Nudeln und, falls gewünscht, ein Stück trockenen Kuchen um 11 Uhr, aber im Hinblick auf das Spiel war dieses Essen nun einmal wichtig. Also rein damit. Nach diesem Festmahl begab sich die gesamte Truppe in einen Seminarraum des Hotels zur Spielbesprechung. Auf einem Flipchart kritzelte der Trainer mit einem Filzstift unsere Aufstellung. Meistens konnte jeder Spieler bereits aus den letzten Trainingstagen ablesen, ob er von Anfang an spielen würde oder den unliebsamen Platz auf der Bank einnehmen musste. In manchen Härtefällen entschied sich das aber auch erst genau in so einer Besprechung. Dann hieß es Kopf oder Zahl. Auch ich kannte diese Situation, saß dann angespannt auf meinem Stuhl und fixierte manisch die Hand des

Weitere Kostenlose Bücher