Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
engeres Umfeld würde mich wohl mit gutem Recht als einen äußerst selbstkritischen Menschen bezeichnen, doch bis heute kann ich diese Entscheidung nicht verstehen. Unzählige Male habe ich mir den Kopf darüber zermartert, was der Grund hätte sein können. Ich weiß ihn bis heute nicht und muss damit klarkommen, dass ich ihn wohl nie erfahren werde. Es war auch nicht so, dass ich nicht nachgefragt hätte, doch eine für mich plausible Begründung habe ich vom Trainer nie erhalten. Ich bekam also nicht einmal das Mindeste, was angebracht gewesen wäre: eine genaue und ehrliche Erklärung der Situation. Nur eine argumentationslose Aneinanderreihung von haltlosen Vorwürfen mit der Kernaussage, dass ich vom einen auf den anderen Tag zu schlecht sei für die erste Elf.
Wie gesagt, meine Leistung in den Spielen zuvor empfand ich selbst als alles andere als optimal, doch daran allein kann es einfach nicht gelegen haben. Sie war nicht berauschend, aber auch nicht so schlecht, dass sie diese Konsequenz erfordert hätte, davon bin ich überzeugt. Irgendetwas muss den Trainer zu dieser Entscheidung getrieben haben. Irgendetwas anderes und mir Unbekanntes muss in seinem Kopf noch vorgegangen sein, das ihn zu diesem plötzlichen Stimmungsumschwung verleitete. Ich weiß nicht, ob ihm plötzlich mein Gesicht nicht mehr passte, aber ich kann mich an keinen noch so kleinen persönlichen Vorfall in dieser Zeit erinnern und finde auch dort keinen Ansatz für eine Erklärung.
Doch es war schließlich eine komplette Kehrtwende. Im einen Augenblick sicherer Stammspieler mitsamt Ernennung zum Kapitän; kurz mit dem Finger geschnippt, und im nächsten Moment auf der Bank. Und das war kein Denkzettel für eine schlechtere Leistung, sondern eine prinzipielle Entscheidung.
Als Kapitän hätte ich mir wesentlich mehr Rückendeckung erhofft und auch erwartet. Ich war ziemlich von den Socken über diese Entwicklung. Für mich war es ein heftiger Paukenschlag, der mich völlig unerwartet traf. Auch innerhalb der Mannschaft machte sich Überraschung breit ob dieser Entscheidung, denn sie war doch mehr als ungewöhnlich. Für mich war sie nicht nur das, sie war der Wendepunkt meiner Karriere.
Heil im Zimmer angekommen, will ich nur noch ins Bett. Hier in Ubud ist es nachts ein wenig kühler und daher angenehmer als an der Küste. Nur kann ich mir dafür gerade wenig kaufen. Denn wenn in der Nachbarschaft der Punk abgeht, kann man nun mal ganz schlecht einschlafen.
Als Heavy-Metal-Vorgruppe tritt heute das Baby der Homestay-Besitzerin auf. Es schreit mitten in der Nacht wie am Spieß, und ich frage mich, wie ein kleines Wesen so einen Lautstärkepegel erreichen kann. Nach etwa einer halben Stunde schlägt dann die große Stunde des Hauptaktes dieser Nacht. Eine wahre Weltpremiere. Man hat wohl noch nie eine Band in dieser Besetzung zu hören bekommen, die derart raffiniert grundlegende Elemente verschiedenster Musikrichtungen unter einen Hut bringt. Die Menge beginnt zu kreischen, als der fortan jeden Song unterlegende Beat von der kleinen Grille aus dem Gebüsch einsetzt. Nach einer Weile tritt dann der dicke Frosch aus dem Teich an den Turntables ins Rampenlicht. Er kratzt und dreht derart an seinen Platten, dass es kein Halten mehr gibt. Und als ob das nicht schon genug wäre, setzt jetzt der coole Hund aus seiner Hütte noch einen drauf und bellt an ausgesuchten Stellen einen dreckigen Rap in die Dunkelheit der Nacht. Als sich das Publikum gerade sicher ist, dass die Jungs jetzt mit ihrem Repertoire am Ende sein müssten, ertönt der augenscheinliche Frontman der Band. Der dreiste Hahn. Ein eingängiger Refrain fehlte irgendwie noch, und er, als ausgewiesener Chef und lautestes Mitglied der Gruppe, gibt diesen nun in höchster Sopranstimmlage zum Besten und rundet dieses Musikfeuerwerk triumphal ab. Der Auftritt geht über mehrere Stunden, dann irgendwann macht die Elektronik schlapp, und aus den Boxen ertönt nur noch ein leises Surren. Ich hatte die unschätzbare Ehre, in der ersten Reihe diesem Meisterwerk beiwohnen zu dürfen. Den Applaus spare ich mir trotzdem, kurz bevor mir endlich die Augen zufallen.
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17.5.
Mannschaftskultur
Kultur ist heute angesagt. Die Stadt soll bekannt sein für ihr florierendes Künstlerleben. Mein erster Weg führt mich auf den Markt von Ubud. Abgesehen vom einheimischen Essen, das hier überall feilgeboten wird, und dem verströmenden Duft exotischer Gewürze, ist er ziemlich
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