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Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)

Titel: Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Heinze
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Profifußball in einen normalen Job kann sehr schwierig sein. Du musst also versuchen, in diesem Geschäft so viel Geld wie möglich innerhalb relativ kurzer Zeit zu hamstern, und gleichzeitig an deine Zukunft nach der Karriere denken. Ein Drahtseilakt. Und viele sind dabei schon heruntergefallen.
Ich lasse den Tag mit meinen dänischen Mädels bei einem Cocktail ausklingen. Mit den beiden kann man sich angenehm unterhalten. Rund eine Woche lang war ich fast komplett alleine unterwegs. Und ich wollte das auch so. Doch heute Morgen dachte ich mir, dass Gesellschaft langsam wieder guttun würde und ich mich doch inzwischen etwas isoliert fühle. So gesehen kamen die beiden genau zur rechten Zeit. Es tut gut, mal wieder mit jemandem länger zu quatschen. Sogar so gut, dass ich mir freiwillig den Wecker auf halb sechs stelle.

[zur Inhaltsübersicht]
    19.5.
    Wasserfall der Gedanken
Schlaftrunken und mit halbgeschlossenen Augen wanke ich aus meinem Zimmer. Es ist kurz vor Sonnenaufgang. Lene und Inger wollen unbedingt eine Delfin-Tour machen, und ich habe mich tatsächlich breitschlagen lassen. Am Strand stehen schon etwa zehn Boote zum Ablegen bereit. Lene benimmt sich merkwürdig. Verschlafen sind wir natürlich alle, aber die kleine Dänin wirkt geradezu verbissen. Auf Nachfrage erklärt sie mir den Grund ihrer Anspannung. Lene hat Angst. Selbstverständlich nicht vor den Delfinen. Dafür aber davor, keine zu Gesicht zu bekommen. Es scheint seit jeher einer ihrer sehnlichsten Wünsche zu sein, diese Tiere live zu sehen. Ein Versuch vor zwei Jahren ging schief, es war kein Flipper zu entdecken, als sie eine ähnliche Tour auf dem Mittelmeer machte. Ihre Enttäuschung scheint damals grenzenlos gewesen zu sein.
Um sechs Uhr legen wir ab und schippern exakt während des herrlichen Sonnenaufgangs auf das Meer hinaus. Allein für diesen Blick hat sich das Aufstehen gelohnt. Den Rest empfinde ich als nicht gar so spektakulär. Wir bekommen eine Menge Delfine aus nächster Nähe zu sehen, und ich mag diese anmutigen Tiere. Allerdings habe ich einen ähnlichen Ausflug schon einmal gemacht, und so ist mir das alles nicht neu. Lene dagegen ist völlig aus dem Häuschen. Ich kann ihren Überschwang zwar nicht teilen, freue mich aber sehr für sie. Nach ihrer ganz persönlichen Delfintherapie ist ihre aufkeimende Panik vom Morgen vollends verflogen.
    Mit jedem Wochenende, an dem ich auf der Bank Platz nehmen musste, geriet ich mehr und mehr in Panik. Mein Konkurrent auf der rechten Seite spielte in dieser Phase gut, er nutzte seine unverhoffte Chance. Auf links, wo ich ebenso gut hätte spielen können, lag die Sache ein wenig anders. Hier hatten wir in der Defensive einige kritische Phasen zu überstehen und gerieten doch stark unter Druck. Ich verstand nicht, warum ich nicht dort einen Einsatz bekam. Die Situation war völlig verfahren. Meine Laune in diesen Wochen war dermaßen im Keller, dass ich meiner damaligen Freundin eigentlich Schmerzensgeld hätte zahlen müssen.
    Ich gab im Training alles, was in meinem Körper steckte, ich wollte meinen Einsatz mit guten Leistungen förmlich erzwingen. Doch nach einer Weile merkte ich, dass selbst starke Darbietungen nichts halfen. Selbst wenn ich zu den Besten im Training gehörte, blieb mir immer wieder nur die Bank. Im Laufe der Zeit verkrampfte ich zusehends. Ich musste also noch besser sein, und es musste nahezu alles passen. Ich musste am Rande der Perfektion trainieren. Und zwar sofort. Nur so ging es, sagte ich mir. Und genau an diesem Punkt kam ich nicht mehr klar. Ich hatte irgendwann im Training nur noch Angst davor, Fehler zu machen. Mein Selbstvertrauen schwand dahin. So etwas ist schwer zu erklären. Aber wenn man mal in so einer Lage ist, gelingen irgendwann die einfachsten Dinge nicht mehr. Und ich hatte niemanden, der mir den Rücken stärkte. In dieser Phase wurde ich einfach mir selbst überlassen. Gut, die Spieler hatten alle selbst genug mit sich und ihren eigenen Problemen zu tun, und die permanente Konkurrenzsituation ließ bei den meisten vielleicht einfach keine warmen Worte für einen am Boden liegenden Mitstreiter zu. Das ist sehr schade, aber noch irgendwo nachvollziehbar. Doch gerade von verantwortlicher Seite aus hätte ich mir einfach etwas erwartet. Zwar nicht viel, aber zumindest irgendetwas. Doch ich bekam keine Unterstützung, keine aufbauenden Worte, rein gar nichts. Mir wurde zum ersten Mal in dieser Deutlichkeit bewusst, dass es nicht umsonst

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