Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
heißt, der Fußball sei ein dreckiges Geschäft. Er ist es. Du erkennst das allerdings erst, wenn es mal so richtig schlecht läuft. Spieler, die das Glück hatten, niemals in so einer Lage gewesen zu sein, können das vielleicht nicht bestätigen. Alle anderen sicher schon.
Egal, was später noch kam, diese Phase war die größte Enttäuschung für mich in diesem Business. Läuft alles glatt, ist alles wunderbar, und jeder klopft dir auf die Schulter und erzählt dir, wie geil du bist. Aber wehe, wenn nicht. So schnell kannst du gar nicht schauen, da sind all die scheinbaren Gönner um die Ecke. Sie sagen dir im nächsten Moment auf Nimmerwiedersehen und schauen dir dabei nicht einmal mehr in die Augen.
Nicht die schlimmsten Niederlagen bleiben mir besonders negativ im Gedächtnis. Denn das geschah auf dem Platz, und der Fußball an sich ist einfach etwas Wunderbares. Wenn nur das Spiel zählt und sonst nichts, gibt es kein Vertun. Dann gibt es nur diesen reinen, atemberaubenden Sport in all seiner Dynamik, mit all seinen irren und plötzlichen Wendungen, die passieren können. Und vor allem diese puren Emotionen. Dieses Spiel kann so extreme Gefühle auslösen, die sonst im Alltag vielleicht nie zum Vorschein kommen würden. Beim Spieler auf dem Platz sowieso. Selbiges gilt aber auch für die Fans auf den Rängen.
Die Dinge, die außerhalb des Feldes hinter den Kulissen und zwischen den entscheidenden Protagonisten ablaufen, die sind es, die dieses Geschäft in Wahrheit dreckig machen. Der eine versteht sich mit dem einen Kerl besser und kann dafür aber den nächsten nicht leiden. Oder er schuldet dem anderen noch einen Gefallen, oder beide kennen sich vielleicht aus früheren Zeiten. Die typischen Seilschaften eben. Am Ende ist und bleibt das Geschehen auf dem Platz wichtig, so viel steht fest. Ohne die nötige Leistung kommt niemand weit. Wer aber denkt, dass allein sie darüber entscheidet, ob einer Profi wird oder nicht, der lebt in einer Traumwelt. Gerade im Fußball sind Beziehungen extrem wichtig, besonders wenn auf höchstem Niveau die Leistungsunterschiede nur noch marginal erkennbar sind. Viel häufiger, als Außenstehende denken mögen, entscheidet Vitamin B über einen neuen, gutdotierten Vertrag.
Im Laufe der Zeit wurde es immer schlimmer. Mir versprangen Bälle, die ich sonst im Schlaf hätte verarbeiten können, ich machte Fehler, die mir sonst nie passiert wären. Es war ein einziger Krampf, von Spaß und Freude am Sport keine Spur mehr. Nur noch Verunsicherung und Druck. Und ständiges Grübeln.
Als sich ein Mitspieler leicht verletzte, erhielt ich sogar noch einmal einen Einsatz in der Startelf. Ich wollte es in diesem Spiel mir und allen anderen beweisen. Ich scheiterte. An der Angst und dem vielen Nachdenken. Ich konnte nicht mehr einfach nur kicken, ich machte mir nach jedem noch so kleinen Fehler einen Kopf, was er für Auswirkungen für mich haben könnte. Und das noch während des Spiels. So kann man keine gute Leistung bringen, das funktioniert nicht. Sobald du anfängst zu grübeln auf dem Platz, hast du verloren. Besonders wenn du negativ denkst. Und das tat ich viel zu sehr, ich bekam einfach nicht mehr die Kurve.
Alles um mich herum beschäftigte mich. Ich wollte mich mit aller Macht auf mein Spiel konzentrieren, doch stattdessen schweifte ich immer wieder ab. Jeden einzelnen Kommentar von Mitspielern oder Gegnern bekam ich nicht mehr aus dem Kopf, sogar jeder etwas lautere Zuruf aus dem Publikum dröhnte in meinen Ohren. Ganz zu schweigen von den wenig aufmunternden, bisweilen sogar äußerst beleidigenden Schreien des Coaches von der Seitenlinie. Dazu Fragen über Fragen. Was geht im Kopf des Trainers jetzt vor? Wird er mich gleich auswechseln? Sitze ich dann in nächster Zeit wieder nur auf der Bank? Und wie soll ich dann einen guten Verein finden? Ein reißender Strom an unnützen Gedanken rauschte durch meinen Kopf und überschwemmte fast alles Positive darin. Und ich war einfach nicht in der Lage, ihn einzudämmen. Hätte ich doch nur einfach mal sprichwörtlich meinen Verstand verloren. Doch so befand ich mich nicht mehr in der Aktion selbst, nicht mehr im Hier und Jetzt. In genau dieser Gegenwart aber spielt sich das Geschehen auf dem Platz ab.
In meinen besten Spielen, und nur da, gab es ausschließlich den einen präsenten Moment für mich, nichts anderes. Ich befand mich im vielzitierten Tunnel. Keine riesige, lärmende Kulisse, kein Zuruf von der Bank des Trainers,
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