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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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gelebt haben mussten, als man schon ein wenig auf Mundhygiene geachtet hatte. Generell schienen die Knochen älter zu sein, je weiter von der Tür weg man sie beigesetzt hatte. Außerdem gab es welche mit deutlich breiteren Wangenknochen, als sie der Eiserne Kanzler besaß.
    Was mich jedoch schließlich überzeugte, war die Art und Weise, wie man die untere Nische an der Kopfseite der winzigen Kirche gestaltet hatte. Der Tote war auf ein verblichenes Stück Samt gebettet worden und neben seinem Schädel lag ein halb zerfallener Lorbeerkranz. Als habe die Familie besonders diesen Ahnen verehrt. Ich musterte Kiefer und Wangenknochen eingehend und stellte mir das Gesicht des Eisernen Kanzlers vor. Nach ein paar Minuten war ich mir sicher.
    »Das ist er«, sagte ich, konzentrierte mich, wie ich es immer tat, wenn ich nicht wollte, dass meine Füße in der Luft einsanken, und griff nach einem der dürren Fingerchen – Plötzlich bewegte sich etwas in der Nische. Ich schrie auf und schoss rückwärts durch die Luft, bis ich gegen Marian prallte.
    »Nicht der schon wieder«, murmelte dieser und tätschelte kurz meinen Oberarm. »Keine Panik, Flora. Es ist alles in Ordnung. Ich regele das.«
    Er trat auf den Schatten des Friedhofsgärtners zu, der gerade durch die rückwärtige Wand des Mausoleums über die sterblichen Überreste des Eisernen Kanzlers kletterte.
    »Ihr werdet jetzt sofort von hier verschwinden! Man stört die Ruhe der Toten nicht! Das ist … verboten!«
    »Natürlich, das wissen wir«, sagte Marian. »Aber das hier ist ein Notfall.« Sein Kinn ruckte in meine Richtung. »Wissen Sie, wer das ist?«
    Der Gärtner schüttelte den Kopf.
    »Ich bin Flora Gerstmann«, sagte ich und schwebte zu den beiden hinüber.
    »Die Prinzessin?«
    »Wir sind mit dem Einverständnis das Kanzlers hier. Ich habe eine Abmachung mit ihm, okay? Ich kann Ihnen jetzt nicht alles erklären, aber wir arbeiten daran, das Nichts aufzuhalten, bevor es die gesamte Schattenwelt auslöscht.«
    Der Gärtner kratzte sich am Hals. »Ja, jetzt erkenne ich Sie, Hoheit.«
    »Gut.« Ich atmete aus.
    »Also, wenn das so ist … Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ja«, sagte Marian, »indem Sie uns in Ruhe lassen.«
    »Oh, äh, selbstverständlich. Ich warte dann draußen«, nuschelte der Gärtner und verschwand wieder. Kurz musste ich kichern, doch schnell nahm mich die Anspannung wieder gefangen.
    Ich startete einen zweiten Versuch und griff nach dem Knöchelchen. Es fühlte sich wärmer und leichter an, als ich erwartet hatte. Übelkeit stieg in mir auf. Das hier war also einmal der Finger des Eisernen Kanzlers gewesen. Ich wollte ihn schon durch das zerbrochene Fenster hinauswerfen, da hielt Marian mich zurück.
    »Warte«, flüsterte er. »Wir müssen reden.«
    Ich hob die Brauen. »Jetzt? Worüber denn?«
    Behutsam nahm Marian mir den Knochen des Eisernen Kanzlers aus der Hand und legte ihn auf den Boden zwischen uns, dann ließ er sich im Schneidersitz nieder und bedeutete mir, es ihm gleichzutun. Als wir beide saßen, beugte er sich sehr vorsichtig zu mir vor. Seine Finger flochten sich in meine. Er räusperte sich.
    »Auf dem Weg hierher habe ich nachgedacht«, begann er. »Bevor wir das alles tun, was wir nun vorhaben zu tun, muss ich dir eine Frage stellen, und ich möchte, dass du versuchst, mich nicht falsch zu verstehen. Okay?«
    Ich nickte. »Ja, gut, ich werde mich bemühen.«
    Marian sah mir in die Augen. »Wo befindet sich der Weiße Löwe?«
    Erschrocken biss ich mir auf die Unterlippe. »Flora?« Der Druck seiner Hände verstärkte sich. »Du solltest mich doch nicht falsch verstehen. Ich frage nicht wegen Ylva. Ich muss es nur wissen, weil ich glaube, es könnte Schwierigkeiten geben, von denen du bisher nichts weißt.«
    »Was für Schwierigkeiten?« Ich hatte beschlossen, Marian von nun an zu vertrauen. Doch das war nicht so leicht, wie ich es mir wünschte. »Damals, in der Grotte, da bist du getaucht. Doch der Eiserne Kanzler hat den gesamten See absuchen lassen und an seinem Grund nicht einmal ein Staubkorn finden können. Deshalb habe ich mich schon länger gefragt – obwohl das natürlich überhaupt keinen Sinn ergibt –, ob du es nicht irgendwie geschafft hast, den Weißen Löwen unter dem See zu verstecken. Irgendwo in der Erde darunter.«
    Ich blinzelte. »Dann wäre ich immer noch die Einzige, die ihn zurückholen könnte, weil ich ihn spüre. Du würdest vermutlich jahrelang Bröckchen für Bröckchen den Fels abtragen

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