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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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lasen und sich für meine Schuhgröße interessierten!
    Außer mir stieg niemand am Sturmdorn »Philistergasse« aus. Ich zog mir die Kapuze ins Gesicht, kaum dass ich die ausgetretenen Stufen des Haltestellenturms erreicht hatte, und machte mich an den Abstieg. Die Philistergasse selbst war weder besonders lang noch imposant oder … irgendwie auffällig. Im Grunde handelte es sich schlicht um eine Gasse, wie es sicher Hunderte, wenn nicht Tausende von ihnen in Eisenheim gab. Die Häuser wirkten altmodisch, teilweise etwas schäbig und alles in allem recht trostlos, aber das lag vermutlich an der allgegenwärtigen Farblosigkeit. Die Fassaden waren grau, ebenso das Kopfsteinpflaster. Vor einer schief in den Angeln hängenden Tür türmte sich Unrat, während Flecken die Fenster des Nachbarhauses zierten. Von der einen zur anderen Straßenseite hatten die Bewohner Wäscheleinen gespannt, an denen Nachthemden trockneten.
    Dennoch hatte diese spezielle Gasse etwas Leuchtendes an sich. Zumindest in meinen Augen. Denn wenn man genauer hinsah, war sie doch nicht so gewöhnlich, wie sie auf den ersten Blick wirkte. Zum Beispiel stapelten sich überall Bücher und Papiere, unter Treppen, hinter Fensterscheiben und sogar in Dachrinnen und Eingangstüren. Folianten, Lexika und mehrbändige Nachschlagewerke bildeten kleine Mauern und dazwischen funkelten hier und da die wachen Augen ihrer Leserinnen und Leser. Zwei ältliche Chemikerinnen führten von Fenster zu Fenster eine gemurmelte Diskussion über Phosphate und klammerten Versuchsprotokolle an die Wäscheleine zwischen sich. Die Luft war durchdrungen von Wissen, schmeckte nach Papier und Tinte und wichtigen Gedanken. Beinahe greifbar lag die Aura der Wissenschaft über der Philistergasse, die in das Künstlerviertel Backand mündete.
    Wenn es einen Ort in Eisenheim gab, an dem ich Antworten finden konnte, dann musste es doch dieser sein, oder?
    Hoffnungsvoll wanderte ich an staubigen Fensterbänken und Tafeln vorbei, die überall an den Häuserwänden lehnten und mit Formeln, Jahreszahlen und Gedichtzeilen vollgeschrieben waren. Ein Mann mit wirrem Haar hantierte in einem Hinterhof mit Reagenzgläsern. Zwar wusste ich nicht genau, wen ich fragen sollte, doch meine Füße lenkten mich wie von selbst zu einem Haus in der Mitte der Gasse, das größer war als die übrigen. Es handelte sich um eine Villa aus dunklem Holz mit einer Veranda voller Bücherstapel und weit geöffneten Flügeltüren. Ein muffiger Geruch schlug mir aus ihrem Innern entgegen, als ich hineinspähte. Alles lag im Halbdunkel, weshalb ich nicht erkennen konnte, was auf der anderen Seite des Türrahmens auf mich wartete. Nach kurzem Zögern trat ich ein.
    Die Dielen knarrten unter meinen Schritten, während Siebens Licht die Dunkelheit mit einem Glimmen durchsetzte. Ich befand mich in einer Eingangshalle, die mich entfernt an einen Tempel erinnerte. Nein, eigentlich war es keine Eingangshalle, es war der einzige Raum. Ähnlich wie die Pyramiden von Giseh war auch dieses Gebäude von innen vollkommen hohl. Es gab weder Zwischenwände noch weitere Geschosse oder Kammern. Über mir erahnte ich das Gebälk des Dachstuhls, das von runden Säulen getragen wurde. Sie bildeten eine Art Allee, die einmal durch das Haus führte bis zu einem rückwärtigen Ausgang. An den Wänden standen Sockel aus hellem Marmor, auf denen Büsten und Statuen ruhten, ansonsten war der Raum vollkommen leer.
    Bis auf den Staub, der in der Luft tanzte, und den anderen Besucher.
    Zuerst bemerkte ich nur aus dem Augenwinkel, wie sich etwas im Dunkel hinter der Säule zu meiner Linken bewegte. Es hätte auch eine Katze sein können oder mein eigener Schatten, als Sieben zur Decke hinaufschwebte. Doch es war eine Person. Ein junger Mann, der sein Haar zu einem Zopf gebunden hatte, einen selbst in dieser Welt längst aus der Mode gekommenen Dreispitz auf dem Kopf trug und ganz versunken war in die Betrachtung der Büste eines anderen jungen Mannes mit ähnlicher Frisur.
    Obwohl er mir den Rücken zuwandte, erkannte ich ihn sofort. Denn es war der Mann, der gestern gut dreißig Meter über meinem Kopf mit seinen Leuten gerungen hatte. Der Mann, den ich um den Weißen Löwen gebracht und mir damit zum Todfeind gemacht hatte. Ich biss mir auf die Unterlippe und schlich sehr vorsichtig rückwärts in Richtung Ausgang. Vielleicht, so hoffte ich irrationalerweise, hatte er meine Schritte und Siebens Licht ja noch nicht bemerkt. Vielleicht blieben

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