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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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der Dame belauscht. Anscheinend existierte eine Prophezeiung, in der es um mich, den Weißen Löwen und unsere Verbindung miteinander ging. Doch mehr als der Vers Ein Stern und ein Mädchen, deren Seelen verbunden war davon nicht bekannt. Ehrlich gesagt war ich auch noch nie ein Fan von Weissagungen und Horoskopen gewesen. Doch Wiebke war seither ganz begeistert von dem Gedanken an eine echte Prophezeiung. Sie hatte mich bereits vor einigen Monaten dazu genötigt, die Bibliotheken des Palastes und des Grauen Bundes nach dem genauen Wortlaut zu durchsuchen, doch bisher waren alle meine Bemühungen vergeblich gewesen. Wiebke, die nun wieder Hoffnung zu schöpfen schien, legte mir die Hände auf die Schultern. »Du musst weitersuchen. Gerade jetzt könnte es wichtig sein«, beschwor sie mich.
    Ich nickte. Allein wenn ich an das Ziehen in meiner Brust dachte, wurde mir ganz anders. Ich musste etwas unternehmen, so viel stand fest.

5
PHILISTERGASSE
    Sieben sirrte über meinem Kopf durch die Flure Notre-Dames und glomm zwischendurch immer wieder ein bisschen heller auf, als es eigentlich notwendig gewesen wäre. Es war, als freute er sich, mal wieder nach draußen zu kommen, was absurd war, denn Sieben war eine Magmakugel und kein Lebewesen. Eher eine Taschenlampe als ein Haustier. Trotzdem erinnerte er mich an einen schwanzwedelnden Hund, der die Leine im Maul trug, so übermütig flog er Richtung Ausgang. Dabei waren es nur ein paar Tage gewesen, die er in meinem Zimmer verbracht hatte, weil ich ihn mal wieder dort vergessen hatte.
    Sieben sauste vor mir her, schwebte mal ein Stück nach links, mal ein Stück nach rechts, zischte um eine Ecke und kehrte gleich darauf zu mir zurück. Andauernd musste er innehalten und auf mich warten. Dennoch verlangsamte er sein Tempo nicht. Auch nicht, als jemand aus einem niedrigen Torbogen mitten in seine Flugbahn trat.
    »Vorsicht!«, rief ich noch, aber es war bereits zu spät.
    Mit voller Wucht prallte Sieben gegen den Kopf der Dame. Es zischte, Magma spritzte, die Dame stieß einen spitzen Schrei aus, als sie gegen die Wand geschleudert wurde. Innerhalb einer hundertstel Sekunde wirbelte Sieben durch den Gang und hinter meinen Rücken, während die Dame, die einen Arm in einer Schlinge trug, sich den Ruß von der Maske und eine angekohlte Haarsträhne aus der Stirn wischte. Weil die weiße Maske ihr gesamtes Gesicht bedeckte, schien sie zumindest keine Verbrennungen erlitten zu haben. Dennoch durchbohrte sie mich mit ihrem Blick.
    »Uuups«, nuschelte ich. Hatte ich zumindest eine Sekunde lang mit dem Gedanken gespielt, die Dame nach der Prophezeiung zu fragen, so erschien mir diese Möglichkeit spätestens in diesem Moment als vollkommen absurd. Man fragte die Dame nichts. Eigentlich redete man nicht einmal mit ihr. Außer vielleicht, wenn der eigene Heliometer sie gerade angegriffen hatte. Obwohl sie nicht besonders groß war, stets ein schlichtes Kleid trug und kaum einmal ihre Gemächer verließ, die in einem Seitentrakt Notre-Dames lagen, hatte ich ziemlichen Respekt vor ihr. Vielleicht auch gerade deswegen. Niemand wusste, wer sie war oder woher sie kam, doch sie strahlte eine so natürliche Autorität aus, dass man gar nicht anders konnte, als sich in ihrer Gegenwart klein zu fühlen. Klein und schuldig.
    »Tut … tut mir leid«, stammelte ich. Mein Blick blieb an der Schlinge hängen. »Ist Ihnen etwas passiert?« Hatte sie etwa einen Unfall gehabt? Hier? Sie ging schließlich so gut wie niemals vor die Tür, oder? Nun gut, die meisten Gefahren lauerten im Haushalt …
    Ein Muskel in ihrem verletzten Arm zuckte leicht. »Schon möglich.«
    »Ähm«, machte ich, weil ich nicht wusste, was ich darauf antworten sollte. Ich starrte auf den Verband aus gräulichem Tuch. Hand und Unterarm waren fest mit Mullbinden umwickelt worden, weswegen die Dame den rechten Ärmel ihres Kleides aufgekrempelt trug. Zwischen dem Ende des Verbandes und dem dunklen Stoff war ein Streifen blasser Haut zu erkennen, die irgendwie … schimmerte? Ich blinzelte, wollte genauer hinsehen, weil ich spürte, dass sich etwas im hintersten Winkel meines Bewusstseins anbahnte: eine Erinnerung an die Zeit, in der meine Seele als Schlafende in Eisenheim gelebt hatte. Mittlerweile waren diese Erinnerungen seltener geworden, mein Gedächtnis war in großen Teilen zurückgekehrt. Nur manchmal noch zogen Bilder von damals vor meinem inneren Auge auf. So wie jetzt, als ich plötzlich an den Turm denken musste,

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