Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
Vom Netzwerk:
bereits einen Anflug des Ziehens in meiner Brust. Sicher würde der Schauer rasch stärker werden. Deshalb Der Kanzler versperrte mir den Weg. »Warum so eilig, Prinzessin?«
    »Ich dachte, wir wären fertig«, stieß ich hervor und wollte mich an ihm vorbeischieben, aber er ließ mich nicht durch. »Was ist denn noch?« Ein Glühen breitete sich in meinem Brustkorb aus. Ich keuchte.
    »Nichts«, sagte der Kanzler und trat so plötzlich auf mich zu, dass ich nach hinten stolperte. Mit dem Po stieß ich gegen die Balkonbrüstung. »Ich habe mich nur gefragt«, sagte er direkt vor meinem Gesicht, »ob Sie sich au … gut auf … ftritt … ereitet haben?« Seine Stimme verschwamm im Pulsieren des Schmerzes. Er legte seine Hände links und rechts neben mich auf das Geländer, sodass ich in der Falle saß. Hatte er gerade etwas Wichtiges gesagt? Was wollte er von mir?
    »Wie bitte?«, nuschelte ich und klammerte mich an die Brüstung, um aufrecht stehen zu bleiben. »Warum interessieren Sie sich … überhaupt so sehr für dieses alberne Aquarium? Sie … wollen meinen Vater mit dieser Sache doch sowieso nur beschäftigt halten.« Ich biss mir auf die Zunge. Lallte ich etwa? Zum Glück flaute der Schmerz nun langsam wieder ab. »Dennoch möchte ich, dass die Eröffnungsfeier für ganz Eisenheim ein Ereignis wird, das man in Erinnerung behalten wird.« Ein amüsiertes Funkeln huschte durch seinen Blick. Er war nun noch näher gekommen und hatte sich zu mir heruntergebeugt, sodass seine Stirn beinahe meine berührte. Was sollte das? Machte er sich einen Spaß daraus, mir Angst einzujagen? Der Ascheregen hatte aufgehört, doch meine Knie fühlten sich noch immer weich an. Ich beschloss, mich nicht länger auf die Spielchen des Kanzlers einzulassen.
    »Das wird es. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden? Ich habe noch zu tun«, sagte ich, tauchte so würdevoll wie möglich unter seinem Arm hindurch und stürzte davon.
     
    Das Jagdschloss, in dem man das Rathaus untergebracht hatte, war vollgestopft mit Karteikarten. Sie steckten in meterlangen Schubladen, die aus den Wänden herausragten. Im Foyer. Im Speisesaal. Im Ballsaal, in den Schlafzimmern, in den Badezimmern, in der Küche und in den Stallungen. Im Weinkeller ruhten riesige Fässer voller Daten. Auf dem Dachboden hingen sie feinsäuberlich an Wäscheleinen. Es wirkte, als habe man das alte Gemäuer zwar umgenutzt, sich jedoch nicht die Mühe gemacht, angemessenes Mobiliar zu besorgen. Man sammelte, aber von Ordnung herrschte keine Spur. So als wäre es überhaupt nicht wichtig, Dinge wiederfinden zu können …
    Ich betrat das Schloss durch einen schmalen Seiteneingang, hinter dem eine hutzelige alte Frau in einem Schaukelstuhl hockte. Sie stierte aus müden Augen vor sich hin, die Hände im Schoß gefaltet. Obwohl die Tür knarrte und ich mich nicht gerade geräuschlos näherte, bemerkte sie mich erst, als ich unmittelbar vor ihr stand und mich vorsichtig räusperte. Genauer gesagt erschreckte sie sich fast zu Tode. Sie stieß einen spitzen Schrei aus und richtete sich so kerzengerade in ihrem Stuhl auf, wie ich es ihrer gebeugten Gestalt überhaupt nicht mehr zugetraut hätte. Aus weit aufgerissenen Augen sah sie mich an.
    »Tut … tut mir leid«, stammelte ich und betrachtete den Teppich aus Karteikarten, der sich zu Füßen der Frau ausbreitete. »Ist das hier das Rathaus? Bin ich richtig?«
    Darüber musste die Alte anscheinend einen Augenblick nachdenken, bevor sie sich zu einem bedächtigen Nicken durchrang. »Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«, krächzte sie mit einer Stimme so brüchig wie angeschlagenes Porzellan.
    »Ich bin auf der Suche nach einem Wandernden«, sagte ich. »Es ist ein Mann namens Desiderius, ein Gelehrter. Mehr weiß ich leider nicht über ihn. Können Sie herausfinden, wo in Eisenheim er wohnt?«
    »Hmpf«, machte sie und musterte mich so empört, als hätte ich sie gefragt, ob sie denn wohl noch am Leben sei. Ihre Mundwinkel zuckten. »Selbstverständlich kann ich das.«
    In mir machte sich Erleichterung breit. Gleich würde ich mehr wissen. Schon bald könnte ich diesen merkwürdigen Mann aufsuchen und ihn zur Rede stellen, was er da für eine Weissagung in die Welt gesetzt und wie er das alles überhaupt gemeint hatte. Das hieß … »Würden Sie es denn auch tun?«, fragte ich, weil die Frau keinerlei Anstalten machte, sich zu erheben.
    »Natürlich. Immer mit der Ruhe, junges Fräulein.« Sie legte erneut die Hände in den

Weitere Kostenlose Bücher