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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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Schoß und starrte vor sich hin. Es dauerte etwa zwei Minuten, in denen sie nicht einmal blinzelte. Ich wollte schon überprüfen, ob sie noch atmete, da stand sie so plötzlich auf, dass es nun an mir war zusammenzuzucken.
    »Wenn Sie mir bitte folgen wollen«, forderte sie mich auf. Mit schlurfenden Schritten führte sie mich durch Flure voller Daten bis zu einer Kammer im rückwärtigen Teil des Gebäudes, in der sich nichts weiter befand als ein Drehkreuz vor einer weiteren Tür und ein Tisch mit einer alten Registrierkasse darauf. Mit ihren knorrigen Fingern tippte die Frau auf Letzterer herum. Das Klacken der Tasten erfüllte den winzigen Raum unnatürlich laut. Dann gab die Kasse ein Klingeln von sich und eine Schublade sprang auf.
    »Diese Information kostet Sie einen Silbergroschen Verwaltungsgebühr«, verkündete die Alte.
    »Welche Information? Ich meine, wollen Sie denn nicht erst nachsehen und …« Ich runzelte die Stirn und erntete ein zahnloses Lächeln.
    »Fotografisches Gedächtnis«, sagte sie und deutete mit dem Zeigefinger auf ihre Schläfe. »Alles ist hier drin abgespeichert.«
    »Äh, wow!«, murmelte ich, kramte die gewünschte Silbermünze hervor und reichte sie ihr. »Das nennt man wohl Inselbegabung.«
    Die Alte grinste noch immer vor sich hin, während sie die Kasse schloss. Dann wurde ihr Gesicht von einer Sekunde zur nächsten vollkommen ausdruckslos. »Miller, Desiderius, geboren am 12.4.1927 in Essex, Beruf: Grundschullehrer und Gelehrter, Wohnort in der realen Welt: unbekannt, Wohnort in Eisenheim: unbekannt. Status: vermisst. Vermutungen: möglicherweise Opfer der vorletzten Nichtsbewegung. Anhaltspunkte: Letzte Zeugen berichten von Absicht, Löcher im Nichts aufzusuchen«, ratterte sie herunter und wies auf das Drehkreuz. »Die Stadt Eisenheim dankt für Ihren Besuch.«
    Na toll. Seufzend trat ich durch die Tür ins Freie und fand mich auf einem unbefestigten Weg am Ufer des Hades wieder, wo ich in eine Pfütze trat. Sofort drang Eiswasser in meinen Schuh. Ich fluchte. Wenigstens hatte es aufgehört, Asche zu schneien. Aber trotzdem. Was war das nur für eine Nacht? Erst lief ich dem Kanzler in die untoten Arme, dann erfuhr ich, dass dieser mysteriöse Desiderius vermisst wurde und höchstwahrscheinlich längst tot war. Und jetzt erfror auch noch mein rechter Fuß! Kann es noch schlimmer kommen?
    Da bog eine Gestalt um die Ecke, deren Gang mir vertraut vorkam. Zwar versuchte sie hastig, sich die Kapuze über das vernarbte Gesicht zu ziehen, doch ich hatte Amadé bereits erkannt.
    »Da bist du ja!«, rief ich. »Wir haben uns alle schon Sorgen gemacht!«
    Amadé machte keinerlei Anstalten, ihren Materienkiesel hervorzukramen. Wegen der Kapuze konnte ich nicht ausmachen, ob sie mich ansah oder was sie dachte. Viel Zeit blieb mir dazu ohnehin nicht, denn sie machte auf dem Absatz kehrt und stürzte los.
    »Hey!«, rief ich und rannte hinter ihr her. »Was hast du denn? Habe ich dir irgendwas getan?«
    Sie antwortete nicht, sondern hastete blindlings in eine der Gassen, die vom Flussufer fort und tiefer in den Leib der Stadt führten. Normalerweise war ich schneller als sie. Ich rechnete also fest damit, sie einzuholen. Doch was immer Amadé dazu trieb, vor mir wegzulaufen, es schien ihr ungeahnte Kräfte zu verleihen. Wieder und wieder huschte sie um Häuserecken, durch winzige Sträßchen und über abgelegene Plätze. Diesen Teil Eisenheims kannte ich überhaupt nicht. Der Zustand der Häuser verriet jedoch, dass es sich um eines der besseren Viertel handeln musste. Befanden wir uns vielleicht irgendwo im Dickicht hinter der Rue Monsieur le Coq? Ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, denn ich benötigte all meine Konzentration dafür, Amadé in der Dunkelheit nicht zu verlieren.
    Was war nur mit ihr los? Fürchtete sie sich vor mir?
    Unsere Schritte klapperten auf dem Kopfsteinpflaster und wurden bald vom Rasseln meines Atems übertönt. Schlug mir der Ascheregen etwa auf die Lungen? Japsend hielt ich inne, denn die Straße vor mir gabelte sich und ich vermochte beim besten Willen nicht zu sagen, wo Amadé entlanggelaufen war.
    Mist! Ich stützte die Hände auf die Oberschenkel und wartete darauf, dass das Rauschen des Blutes in meinen Ohren leiser wurde, als plötzlich etwas über meinen Kopf hinwegsauste. Eine leuchtende Kugel. Sieben!
    Ohne zu zögern, bog er links ab und ich folgte ihm. Oh Mann, ich musste ihn beim Rathaus vergessen haben! Doch er schien zu wissen, wem ich

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