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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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Dringenderes zu erledigen als diese blöde Baustellenbesichtigung. Und immerhin war ich die Prinzessin, da konnte ich mir doch sicher das eine oder andere herausnehmen, oder? Nun ja, ich tat es nicht. Obwohl ich das ganze Aquariumsvorhaben nach wie vor total lächerlich fand, trottete ich folgsam hinter dem Furcht einflößenden Wesen hinterher.
    In diesem Moment landete ein weiteres Schattenpferd direkt neben mir. Seine Hufe wirbelten Staub auf, es wieherte durchdringend.
    »Guten Abend«, säuselte der Eiserne Kanzler, der höchstpersönlich auf seinem Rücken thronte, und schwang sich zu mir hinab. »Wie schön, dass Sie es doch noch geschafft haben.« Er bot mir seinen Arm, den ich ignorierte.
    Stattdessen seufzte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ja«, sagte ich mit einem Kopfrucken in Richtung Pyramide. »Sieht super aus.«
    »Nicht wahr?« Er lächelte, doch seine Augen blieben eisig. Der Kanzler führte mich zwischen den hohlwangigen Arbeitern hindurch, die in Lumpen gekleidet und mit leerem Blick vor sich hin schufteten. Wie immer fühlte ich mich bei ihrem Anblick unbehaglich und fragte mich, wo Linus und Wiebke und all die anderen Schlafenden, die ich kannte, sich wohl heute Nacht plagten.
    Ehe ich mir jedoch weiter den Kopf darüber zerbrechen konnte, betraten wir die Pyramide durch das große Haupttor, das nun durch eine gläserne Drehtür ersetzt worden war. Auch der Innenraum hatte sich verändert. Es roch durchdringend nach Farbe. Die Marmorfliesen waren zwar geblieben, doch die Schreibtische und Aktenschränke waren verschwunden. Dafür gab es nun überall Wände aus so dickem Glas, dass mir bei der Vorstellung, welchem Wasserdruck die einzelnen Becken ausgesetzt werden sollten, angst und bange wurde. Die zukünftigen Aquarien bildeten eine Art Labyrinth. Überall flackerten schemenhafte Gestalten auf, Spiegelbilder eines kurz geratenen Mädchens im grauen Mantel und eines gut aussehenden jungen Mannes, der auf seinem Kopf einen nagelneuen Dreispitz balancierte. Und dahinter ein Schattenreiter, der eine große schwarze Kamera mit sich trug und mich unablässig für diesen bescheuerten Zeitungsartikel fotografierte! Das Blitzlicht tauchte den gigantischen Raum immer wieder für Sekundenbruchteile in ein Gleißen. Es war unheimlich.
    Wir drehten eine Runde durch die Pyramide und genau wie meine eigenen glitten die Blicke des Kanzlers andauernd zu der Stelle ganz hinten an der rückwärtigen Wand, wo eine Falltür die Treppe verbarg, die hinunter in die Grotte mit dem lackschwarzen See führte. Doch keiner von uns erwähnte den Weißen Löwen. Wir schwiegen, gerade so, als habe es jene Nacht dort unten niemals gegeben. Allerdings war es keine friedliche Stille, die zwischen uns lag.
    Ich presste die Zähne aufeinander. Eher würde ich mir die Zunge abbeißen, als den Kanzler merken zu lassen, wie unwohl ich mich fühlte.
    Seite an Seite wanderten wir durch das Labyrinth, weil mein Vater es befohlen hatte. Dennoch kam es mir fast so vor, als genieße der Kanzler die kleine Führung, bei der er sich nicht die Mühe machte, mir irgendetwas zu erklären (was mich ohnehin nicht interessiert hätte), sondern mich immer wieder aus dem Augenwinkel betrachtete. Schließlich stiegen wir eine Wendeltreppe hinauf, die ebenfalls neu eingebaut worden sein musste. Sie führte leicht schräg an der Pyramidenwand hinauf und ins Freie zu einem Balkon, der wie ein Schwalbennest über dem Drehtüreneingang klebte.
    Hastig sog ich die eisige Nachtluft ein und natürlich begann ich beinahe augenblicklich, erneut zu frieren, doch das war mir egal. Ein paar Sekunden lang war ich einfach nur froh, dem gespenstischen Innenraum der Pyramide entkommen zu sein. Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper und konzentrierte mich darauf, tief ein- und auszuatmen, während der Kanzler neben mich trat. Der Schattenreiter fotografierte uns, wie wir auf den Platz hinausblickten.
    »Von hier aus werden Sie Ihre Rede halten«, informierte mich der Kanzler.
    Ich quittierte es mit einem Nicken. Diese lächerliche Rede! Wenn ich nur daran dachte, wurde mir schon übel. »Kann ich dann –« Gehen?, wollte ich fragen. Doch in diesem Moment rieselte eine Ascheflocke vom Himmel herab und landete auf meiner Nasenspitze. Ich zuckte zusammen. Es zischte leise, als sie mir die Haut versengte. Hastig wischte ich die Flocke fort und wandte mich um. Schon segelten die nächsten Aschefitzelchen auf das Geländer des Balkons und ich spürte

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