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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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bisschen weiter. Überhaupt hatte ich keine Ahnung, was ich als Nächstes tun sollte. Während ich so vor mich hin grübelte und der Schokoladenkern des Croissants auf meiner Zunge schmolz, wurde ich unvorsichtig, ließ mich treiben. Ich achtete gar nicht mehr darauf, wo ich hinlief. Und so bemerkte ich schließlich erst, als ich schon vor seiner Tür stand und die Klingelschilder las, dass ich zu Marians Haus gelaufen war. Ich beobachtete, wie sich mein rechter Zeigefinger dem Knopf für die Mansardenwohnung näherte, und versuchte gar nicht erst, ihn daran zu hindern.
    Da räusperte sich jemand hinter mir so plötzlich, dass ich zusammenschrak und einen Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Ich fuhr herum und blickte in große grüne Augen, die in einem schmalen Gesicht saßen. Das Mädchen trug das flachsblonde Haar in zwei Knoten rechts und links am Kopf, einen Pullover aus buntem Webstoff, der irgendwie indianisch aussah, und einen dicken Schal. Sie war einen halben Kopf größer als ich und ich schätzte sie in etwa auf mein Alter. Sie wirkte erschöpft, als habe sie seit Wochen nicht mehr richtig geschlafen. Ich blinzelte, weil mir das Offensichtlichste erst ganz zum Schluss auffiel: Neben ihr stand ein Rollkoffer und daneben stand Marian. Marian, der sehr interessiert am Unkraut in den Fugen der Gehwegplatten zu sein schien.
    »Entschuldigung«, sagte das Mädchen mit finnischem Akzent.
    Ich starrte sie an. Sie und Marian und den Koffer. »Kein Problem«, sagte ich. »Du musst Ylva sein. Ich heiße Flora und –« Ich brach ab.
    Ein Strahlen breitete sich auf ihrem bleichen Gesicht aus und füllte es mit Leben. »Echt? Ich habe schon so viel von dir gehört. Marian redet im Grunde von niemand anderem als von dir.« Wie ihr Bruder sprach auch sie dank ihrer Pflegeeltern nahezu perfekt Deutsch.
    Ich hob eine Augenbraue. »Tatsächlich?«
    Sie musterte Marian, der noch immer nicht aufsah, und nickte grinsend. »Klar. Er ist verrückt nach dir.«
    Wie es aussah, hatte Marian ihr unsere Trennung verschwiegen. Sie wusste anscheinend nicht, dass wir kein richtiges Paar mehr waren, seit ich zur Wandernden geworden war. Ich biss mir auf die Unterlippe. »Das wage ich ehrlich gesagt zu bezweifeln.«
    »Unsinn.« Ylva sah von mir zu ihrem Bruder und wieder zurück. »Können wir reingehen? Mir ist kalt.«
    Sofort trat ich zur Seite. Kalt? Bei diesem Wetter? Ich runzelte die Stirn und registrierte am Rande, wie mein Mundwerk die Regeln der Höflichkeit missachtete. »Ehrlich? Von Finnland musst du doch sicher ganz andere Temperaturen gewöhnt sein.«
    Ylva lächelte traurig. Allein dieser Anblick ließ das schlechte Gewissen, das auf meinen Schultern lastete, zu einem gigantischen Felsbrocken anwachsen. Dieses Mädchen also war – »Lass uns drinnen weiterreden, ja?«, unterbrach sie meine Gedanken. Sie deutete auf die Tür, die Marian inzwischen aufgeschlossen hatte.
    »Oh, ach so, äh«, stammelte ich. »Eigentlich wollte ich nicht, ich meine …«
    »Keine Sorge, du störst doch nicht. Bitte, Flora. Ich habe mich schon so gefreut, dich endlich kennenzulernen.«
    Ihre Einladung hatte mich überrumpelt. Mein Blick schnellte zu Marian, der mit den Achseln zuckte und anscheinend versuchte, so etwas wie ein einladendes Gesicht aufzusetzen.
    Mit hängenden Schultern trottete ich in den Hausflur.
    Ylvas Koffer enthielt noch eine ganze Reihe weiterer Indianerpullover, das fand ich heraus, als ich wenig später zusammen mit ihr auf Marians Bett saß und ihr beim Auspacken half. Während Marian im Wohnzimmer Nudeln für uns kochte, beförderte sie ein polarkreistaugliches Kleidungsstück nach dem anderen zutage, Wollsocken, Handschuhe, Mützen, Skiunterwäsche. Alles war viel zu warm und auch viel zu viel für die nächsten zwei Wochen, die sie hierbleiben würde.
    »Ich friere schnell«, sagte sie, als sie einen Fleeceschlafanzug mit Eisbären darauf unter das Kopfkissen stopfte und meinen irritierten Blick bemerkte.
    »Danach sieht deine Garderobe aus«, sagte ich.
    Ylva grinste. »Ansonsten bin ich ganz normal, keine Sorge.« Ihr Lächeln erstarb. »Tagsüber jedenfalls.«
    »Natürlich«, beeilte ich mich zu sagen. Eine leichte Übelkeit stieg in mir auf. »Ich weiß. Ich dachte auch nicht, dass –«
    Mit einer Handbewegung schnitt Ylva mir das Wort ab. »Schon gut, blödes Thema. Erzähl mir lieber, wie es Marian hier so geht. Aus ihm bekomme ich nämlich seit Wochen kaum ein Wort heraus.«
    »Oh, ihm gefällt es hier

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