Nacht aus Rauch und Nebel
eine Art Fliegerbrille mit verschieden großen Linsen auf und betätigte einen Knopf. Wir lauschten dem Sirren, mit dem sich die hydraulischen Klappen schlossen. Es war leise, kaum hörbar und hatte doch etwas Drohendes an sich. Wie das Rieseln von Sand, der uns ersticken würde, lag es in der Luft. Selbst Ylvas Seele in ihrem Kutschenkäfig im Laderaum hinter uns blieb einen Augenblick lang still.
Mit einem Klicken rasteten die Türen ein und ich wurde mir schlagartig der Enge des Schiffs bewusst. Der Raum maß vielleicht zwanzig Quadratmeter. Wie lange würden wir es hier miteinander aushalten?
Der Großmeister legte verschiedene Schalter um. Aus seiner Manteltasche ragte der Hals einer Schnapsflasche heraus. Dennoch vertraute ich darauf, dass die Nebelkönigin dem Nichts standhalten würde.
Zunächst galt es allerdings, eine meterdicke Gesteinsschicht und die um das Hauptquartier kreisende Armee der Schattenreiter hinter sich zu lassen. Zu diesem Zweck lenkte der Großmeister uns eine Weile in nordwestlicher Richtung durch die größeren Gänge der Katakomben, bis wir uns schließlich in der Nähe der Philistergasse befinden mussten. Wir umgingen so zumindest ein Stück weit die Späher des Eisernen Kanzlers. Uns einfach aus der Stadt herauszuschleichen, würde uns allerdings wohl nicht gelingen.
»Bitte setzt jetzt eure Ohrenschützer auf«, sagte Fluvius Grindeaut schließlich und startete einen sich am Bug der Nebelkönigin befindenden Bohrer. Die gewaltige, mit Eisenzacken besetzte Spirale begann sich zu drehen. Unsere Nasen klebten an den Fensterscheiben, als das Schiff, das vorher wie ein Luftkissenboot über den Boden geglitten war, wenige Minuten später abhob. Der Lärm war ohrenbetäubend, überall flogen Gesteinsbrocken und Staub herum. Die ganze Zeit über sirrte Sieben aufgeregt durch die Kabine.
Wie eine Made krochen wir nun durch den Untergrund der Stadt. Bald schon erkannten wir vor den Fenstern nur noch Fels, dann etwas, was ich für ein Fundament hielt. Für den Bruchteil einer Sekunde rauschte ein Keller voller Gerümpel an uns vorbei, dann brachen wir durch das Kopfsteinpflaster auf die Philistergasse hinaus.
Sofort waren Schaulustige zur Stelle, die Menschen stürmten aus ihren Häusern heraus, um zu sehen, was sich da aus den Tiefen der Erde zu ihnen emporgearbeitet hatte. Fluvius Grindeaut manövrierte uns unterdessen mitten durch die schmale Gasse, wobei die Außenhaut des Schiffes links und rechts an den Häuserwänden entlangschrappte, einen Balkon zum Einsturz brachte und zahlreiche Wäscheleinen voller Traktate und Forschungsergebnisse mit sich riss.
Die Leute um uns herum kreischten wild durcheinander, doch der Großmeister zuckte nicht einmal mit der Wimper, als er die Mauer eines Hinterhofs überrollte wie ein Bulldozer. Schon waren am Himmel die Schreie der Schattenpferde zu hören. Natürlich blieb unsere Spritztour nicht unbemerkt. Die Armee des Kanzlers, die sich ohnehin in höchster Alarmbereitschaft gehalten hatte, wurde nun kopflos. Schon donnerten die ersten Hufe auf die Nebelkönigin nieder. Schwarz gefiederte Schwingen strichen an den Fenstern entlang, schnaubende Nüstern, glühende Augen. Mit gesenkten Schädeln versuchten die Ungeheuer, die Scheiben einzuschlagen, doch die Nebelkönigin trotzte ihren Angriffen. Für unser Schiff war der geballte Zorn der Schattenreiter nicht mehr als ein Schwarm lästiger Insekten, der es umschwirrte.
Ich atmete auf. Meine Befürchtung, in die Hände des Kanzlers zu fallen, noch bevor wir das Nichts überhaupt erreicht hatten, schien sich nicht zu bewahrheiten. Doch meine Erleichterung verschwand so rasch, wie sie gekommen war, als sich kurz darauf die Wand des Nichts vor uns erhob. Nun drosselte der Großmeister unsere Geschwindigkeit doch ein wenig. Noch immer hackten die Schattenpferde auf uns ein, die Peitschen ihrer Reiter zischten um uns herum. Doch je näher wir dem Nichts kamen, umso zaghafter wurden die Attacken. Die ersten Verfolger zogen sich bereits zurück.
Nur einer der Schattenreiter, der rückwärts vor unserem Bug hergeflogen war, bemerkte die Gefahr zu spät. Pferd und Reiter schrien markerschütternd, als das Nichts zuerst die Hinterbeine des Ersteren verschlang, dann den Rücken und die Waden des Letzteren. Rasend schnell löste es die beiden auf, von den glänzenden Hufen bis zum polierten Zylinder. Mein Magen zog sich zusammen, ich schloss für einen Moment die Augen.
Doch immerhin ließen nun auch die
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