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Nacht aus Rauch und Nebel

Nacht aus Rauch und Nebel

Titel: Nacht aus Rauch und Nebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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Absichten den Weißen Löwen betreffend hielt ich noch immer für fragwürdig. Aber er hatte mich verstanden und er würde mir helfen. Er, Marian und ich würden zusammenarbeiten, das Nichts erkunden, den Gelehrten finden, Ylva retten, meinen Vater von meiner Unschuld überzeugen … Bald wäre alles wieder gut!
    Marian, der meine Euphorie nicht zu teilen schien, runzelte die Stirn. »Du hoffst durch Desiderius, mehr über die Prophezeiung herauszufinden?«
    Ich nickte.
    »Okay, nehmen wir mal an, wir schaffen es tatsächlich, die Löcher und diesen Typen zu finden … Was ist, wenn dir nicht gefällt, was er zu sagen hat?«
    »Wie meinst du das?« Ich runzelte die Stirn. »Wieso glaubst du, er könnte –«
    »Ach, schon gut. Das war nur so ein Gedanke. Wir haben also noch eine Nacht Zeit, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen?«
    »Ist das ein Problem?«
    »Nicht unbedingt«, sagte Marian. Nun stahl sich doch so etwas wie ein Lächeln auf seine Lippen, das bald zu einem Grinsen anwuchs. Ohne Vorwarnung schlang er seine Arme um meine Taille und wirbelte mich im Kreis herum. Ich kreischte auf. Eine Oma neben uns rümpfte die Nase.
    Kurz darauf saßen wir nebeneinander im Bus, ich schmiegte mich an Marians Brust, er streichelte mir über das Haar. »Tut es sehr weh?« Ich deutete auf die aufgeplatzte Augenbraue, die er von seinem Sturz auf die Eisfläche davongetragen hatte.
    »Nein, eigentlich gar nicht«, sagte Marian.
    »Echt nicht?« Ich schielte von unten in sein Gesicht hinauf. »Lügst du mich an?«
    »Klar.« Er seufzte.
     
    Im Grunde war »Schiff« die falsche Bezeichnung für Fluvius Grindeauts Meisterwerk. Als ich es in der vergangenen Nacht gesehen hatte, war mein erster Eindruck der eines U-Bootes gewesen. Vielleicht auch, weil ich mir eine Expedition ins Nichts immer wie eine Fahrt durch die Tiefsee vorgestellt hatte. Wenn ich mir derlei Dinge überhaupt vorgestellt hatte, denn schließlich war es unmöglich, das Nichts zu betreten. Das hatte ich jedenfalls angenommen, bis mir Marian von den Tüfteleien des Großmeisters erzählt hatte.
    Dieser beschäftigte sich wohl schon seit Jahren mit der Thematik. Anders konnte ich mir die gigantische Maschine in den Tiefen seines Labors nicht erklären. Ein Gefährt wie dieses baute man nicht mal eben innerhalb von ein paar Wochen. Zumal, wenn man ein massives Alkoholproblem hatte. So wie ich den alten Mann bisher kennengelernt hatte, erstaunte es mich ohnehin, dass er ein solches Wunder vollbracht hatte. Ich konnte kaum meinen Blick davon wenden, als ich dem Großmeister in dieser Nacht dabei half, es zu beladen. Nur dann und wann schaute ich für einen Sekundenbruchteil zum Eingang der Felsengrotte, immer in der Hoffnung, dort einen weißblonden Schopf zu erkennen.
    »Wissen Sie, woran mich Ihr Schiff erinnert?«, fragte ich. Wir schleppten gerade die letzten Kisten voller Laborutensilien an Bord.
    »Sicher an einen Zeppelin«, ächzte der Großmeister unter einem Stapel Kartons. »Wegen der Zigarrenform, oder?«
    »An eine Kirche«, sagte ich.
    Fluvius Grindeaut runzelte die buschigen Brauen. »Wirklich?«
    Ich wischte mir die staubigen Finger an der Hose ab und nickte, obwohl dieser Vergleich tatsächlich merkwürdig war. Denn eigentlich war die Nebelkönigin, wie der Großmeister seine Erfindung getauft hatte, ein Sammelsurium modernster Technik, die die NASA vor Neid blass werden lassen würde. Allein die sich ständig bewegende und selbst erneuernde Außenhaut des Schiffs war ein Geniestreich. Weil es keine Materialien gab, die dem Nichts trotzen konnten, hatte Fluvius Grindeaut aus der Not eine Tugend gemacht und eine fließende, gallertartige Masse entwickelt, die nachwuchs, sobald das Nichts an ihr fraß. Selbstverständlich waren die Energiekosten dafür immens. Deshalb bestand das Schiff auch zu neun Zehnteln aus gigantischen Tanks voller Dunkler Energie. Der Rest aber, sowohl der Lagerraum als auch die Brücke, die Schlafplatz, Aufenthaltsraum, Forschungslabor, Küche und Steuerungszentrale zugleich darstellte, kam mir vor wie ein uraltes Kirchenschiff. Überall schwangen sich gotische Bogen und Holzschnitzereien. Die wabenartigen Kojen an den Wänden der Brücke erinnerten mich an prunkvolle Grabesaltäre und das Schaltpult im Bug wirkte, wenn man die blinkenden Knöpfe außer Acht ließ, mit seinen Tasten und Säulen eher wie eine barocke Orgel als ein Computer. Sogar die Scheiben der Bullaugen bestanden aus Bleiglas, in unterschiedlichen

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