Nacht der Begierde (Geraldine Guthrie) (German Edition)
Geraldine hinüber schaute. Verwundert dachte sie, dass dies ja der Mann sei, der sie ins Krankenhaus eingeliefert hatte. Dann schlug sie auf dem Linoleumboden auf und ihr schwanden die Sinne.
* * *
Wie lange sie weggetreten war, konnte sie nicht sagen. Aber es konnte nicht lange gewesen sein. Schwarzer Rauch waberte durch den Gang; die Sprinkleranlage war angegangen und eine Sirene heulte. Nirgendwo zeigte sich ein Mensch.
Geraldine stand auf. Das Wasser hatte sie bereits von oben bis unten durchfeuchtet und das Nachthemd durchsichtig gemacht. Ihre Brüste traten deutlich hervor. Auch die dunklen Haare zwischen ihren Beinen konnte man sehen. So, wie sie zugleich erschrocken und trotzdem kampfbereit dastand, strahlte sie etwas unglaublich Erotisches aus, weniger wie eine kluge und nachdenkliche Frau (für die Geraldine sich zurecht hielt), als eine perfekte und tödliche Falle.
Doch selbst wenn Geraldine sich in diesem Augenblick hätte sehen können, hätte sie sich wahrscheinlich nicht wahrgenommen. Dafür war sie von anderen Ereignissen zu abgelenkt. Der Qualm lichtete sich durch das Sprühwasser. In der Luft über der Stelle, an der sich die beiden Männer geprügelt hatten, tanzten kleine Gestalten in Kutten. Sie hatten knöcherne Flügel und in der einen Hand eine Sense. Insgesamt sahen sie aus wie kleine Figuren des Todes, nur dass der Tod meist ohne diese Knochenflügel und größer dargestellt wurde. Diese Wesen dagegen waren groß wie Ratten. Im sich lichtenden Rauch löste sich eine nach der anderen auf, dann tauchte am anderen Ende des Ganges eine Feuerwehrmannschaft auf.
Es waren sechs Männer. Als sie in den verlassenen Gang einbogen, blieben sie stehen.
Selbst Geraldine musste unwillkürlich grinsen. Der Anblick konnte nur grotesk sein. Mittlerweile hatte sich der Qualm komplett verzogen. Die grünlichen Wände zeigten an einer Stelle deutliche Schmauchspuren. Schwarze Rußschlieren züngelten wie erstarrte Flammen auf der Lackierung. Der Linoleumboden hatte sich an der Stelle der Explosion gewellt. Durch den ganzen Gang schwappte das Wasser.
Und dann gab es dort Geraldine. Sie und ihr durchsichtiges Hemd. Und die Feuerwehrmänner. Die nichts zu löschen hatten. Hinter der Stationstheke schaute eine Schwester hervor und wenn sie nicht laut aufgeschrien hätte, hätten die Männer und Geraldine sich vermutlich noch eine Zeit lang fassungslos angestarrt.
Doch durch den Schrei kam Bewegung in die Gruppe. Der vorderste Feuerwehrmann löste sich aus seiner Erstarrung und umrundete den Ort der Explosion.
"Sind Sie verletzt?", rief er Geraldine zu.
Sie schüttelte den Kopf.
"Ist wirklich alles in Ordnung?"
"Ja", entgegnete sie etwas unwirsch, "ich habe mein Zimmer erst verlassen, als alles vorbei war. Ich wollte nachsehen, was los ist und ob ich helfen könnte. Aber zunächst war einfach zu viel Rauch da."
Der Feuerwehrmann nickte und glotzte sie weiter an.
Geraldine wiederum hörte, wie dem Kerl das Blut in die Lenden schoss. Sie zog die Augenbrauen hoch, blickte nach der todbleichen Krankenschwester, die immer noch den Mund zum Schrei geöffnet hatte, aber nicht mehr schrie, dann drehte sie sich um und ging in ihr Zimmer zurück.
Sie schälte sich aus dem klammen Hemd. Es klebte an ihrem Körper und als sie es ausgezogen hatte, tropfte das Wasser auf den Boden und hinterließ kleine Pfützen. Geraldine begann, nackt wie sie war, zu frösteln. Sie griff nach dem Handtuch in der Duschnische, trocknete sich ab und schlüpfte unter die Bettdecke.
* * *
Sie schlief lange und traumlos.
Als sie am nächsten Morgen aufwachte, lag sie genauso nackt unter der Bettdecke, wie sie sich am Abend vorher schlafen gelegt hatte. Das Licht der frühen Sonne schien auf die normalste Weise der Welt ins Zimmer; die Geräusche aus dem Krankenhaus klangen gedämpft und üblich; ihr ging es prächtig und alles war gut.
Kapitel 2
In der folgenden Woche geschah nichts Ungewöhnliches. Am Montag besuchte Geraldine zusammen mit Jaclyn ihre Großmutter und sie hatten einen angenehmen Morgen. Nachmittags räumte sie ihre Wohnung auf, ordnete Akten und bereitete sich auf ihre Arbeit vor. Den Rest der Woche verbrachte sie im Naturschutzgebiet, wo sie die Bärenmütter und ihre Kinder beobachtete. Es war später Mai, eine Zeit, in der die kleinen Bären bereits ihre ersten Erfahrungen mit der fremden Welt gesammelt hatten und neugierig auf weitere Erkundungsreisen gingen. Aber auch beim Puma waren die Nachkommen jetzt
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