Nacht Der Begierde
schnell, wie sie gekommen war. Vielleicht hilft ein freundliches Wort tatsächlich, das Entstehen echten Zorns zu verhindern.
«Lassen Sie uns einfach nochmal von vorn anfangen. Hallo, ich heiße Chandra. Bei mir tauchen in letzter Zeit lauter merkwürdige Leute auf und tun so, als müsste ich wissen, was los ist. Aber was zum Teufel ist hier eigentlich los?»
Statt einer Antwort ließ David die Tür los und betätigte die Zündung. «Ich nehme dich mit nach Hause.»
Er nimmt mich wohin mit? In meinem Hinterkopf läuteten die Alarmglocken, und Adrenalin schoss mir ins Blut, das allen Zucker in meinem Körper verbrannte. Der graue Nebel kam zurück, und ich verfluchte meine Schwäche, während ich mich in den Beifahrersitz zurücksinken ließ. «Ist Zach da?»
«Ja.» Sein Gesicht spannte sich an, und er sah starr geradeaus. «Ich bringe dich zu Zach.»
«Gut.» Mit dem hatte ich ein paar Worte zu reden. David half mir, die Mühe zu sparen, ihn zu finden. Ich schloss für eine Minute die Augen. Ich öffnete sie wieder, als der Motor abgestellt wurde, und stellte entsetzt fest, dass ich keine Ahnung hatte, wie viel Zeit vergangen war und wo wir waren. Irgendetwas stimmte wirklich nicht mit mir.
Ich hörte das Geräusch von Schritten auf Kies, bevor sich meine Tür öffnete, und dann war Zach da, öffnete meinen Sicherheitsgurt und nahm mich auf den Arm wie ein Kind. David ging neben ihm, und wir gingen übereine überdachte Terrasse zum Eingang eines Wintergartens, in dem allerlei Pflanzen standen und der erfüllt war vom Duft nach Erde und sprießendem Grün.
Die Männer stritten sich. «Ich wollte, dass sie aus freien Stücken kommt», meinte Zach.
«Du hast nicht gesehen, wie sie hinter dem Lenkrad zusammengeklappt ist», schimpfte David zur Antwort. «Es ist zu spät für solche Späße.»
Zu spät? Das zu hören gefiel mir gar nicht, aber ich hatte irgendwie keine Kraft, etwas dagegen zu sagen.
Dann konnte ich der Auseinandersetzung nicht mehr folgen, denn sie hatten aufgehört, Englisch zu sprechen. Die fremden Laute beunruhigten mich aber auch nicht. Sie bewirkten, dass ich nicht vom Sinn der Worte abgelenkt wurde und mich ganz auf die Stimmen konzentrieren konnte. Ich mochte ihren Klang.
«Chandra. Trink das.» Das war Zach, freundlich, aber mit befehlendem Unterton.
«Später», sagte ich ausweichend. Ich wollte nicht unter Drogen gesetzt werden, aber wäre auch nicht in der Lage gewesen, mich dagegen zu wehren.
«Jetzt.»
Einer von ihnen hielt mich fest, während mir der andere etwas Scheußliches einflößte. Ich schluckte würgend und schnappte nach Luft, als es mich brennend durchströmte. Mir kamen die Tränen, und ich keuchte: «Wasser!»
Zach reichte mir ein Glas, was bedeutete, dass David mich festgehalten haben musste. Ich trank und seufzte vor Erleichterung, als ich spürte, wie es das Feuer in meiner Speiseröhre löschte. «Was war das?»
«Kräutertee. Ein Familienrezept.» Zachs Stimme klang ruhig, sein Gesicht wirkte gefasst. «Geht es dir jetzt besser?»
Das tat es wirklich. Der Nebel war verschwunden, und mich durchpulste neue Kraft. Mit jedem Herzschlag fühlteich mich wacher und lebendiger. Ein fast euphorisches Wohlbefinden durchzog mich.
Einer Substanz, die dafür sorgte, dass man sich so schnell derartig gut fühlte, konnte man nicht trauen.
«Sag mir, dass das keine Drogen waren.»
«Nein, nur Eisenhut.»
Eisenhut? Mein Mund öffnete und schloss sich mehrmals hintereinander, bevor ich herausbrachte: «Aber der ist doch giftig.»
KAPITEL 4
J etzt war mein Kopf wieder klar genug, mich in Panik zu versetzen. Ich war irgendwo, in der Hand eines Mannes, dessen Nachname seine Kenntnisse über Silber und Mondphasen verdächtig erscheinen ließen. Um es vorsichtig auszudrücken. Und er war nicht davor zurückgeschreckt, mir eine bekanntermaßen giftige Substanz in den Rachen zu schütten.
«Es ist medizinisch wirksam.» Zach sah mich stirnrunzelnd an. «Fingerhut ist auch giftig, sofern man keine Herzprobleme hat. Dann jedoch kann Digitalis Leben retten.»
«Danke, aber ich wollte eigentlich keine Biologie-Vorlesung, sondern ein Gegengift.» Meine Stimme kletterte sowohl im Ton als auch in der Lautstärke. David hielt mich noch immer fest, als ob er befürchtete, ich würde mich ansonsten auf Zach stürzen.
«Ganz ruhig.» Davids Stimme hinter mir klang tief und ruppig. «Es erleichtert nur die Metamorphose, mehr nicht.»
«Metamorphose?» Ich atmete tief in den Bauch,
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