Nacht Der Begierde
bestimmt würde das Rudel kommen. Aber wie schnell? Hatte überhaupt schon jemand bemerkt, dass ich weg war?
Ich kannte noch einen Griff, der den Werpanther wahrscheinlich außer Gefecht setzen würde; ein Griff, der für Menschen tödlich sein kann. Leider würde ich dafür an seinen Hals kommen müssen, und dafür befand ich mich im falschen Winkel. Tatsächlich waren meine Möglichkeiten hier hinten ziemlich begrenzt, da ich ihn ja noch nicht einmal in die Nieren schlagen konnte. Was bedeutete, dass ich mich in eine bessere Position bringen musste.
Denk nicht bloß drüber nach, sondern tu was. Ich richtete mich auf und verlagerte mein Gewicht mit aller Kraft nach hinten. Dadurch überraschte ich ihn und zwang ihn so, sich auf seine Balance zu konzentrieren. Und in diesem Moment hatte ich die richtige Position und nutzte meine Chance. Meine Handkante erwischte seine Luftröhre,und ich versuchte nicht einmal, den Schlag zu bremsen.
Führe den Angriff ins Ziel.
Er ließ mich los und sackte auf die Knie. Ich trat so fest wie ich konnte gegen seine Schläfe, und er brach zusammen. Ich nahm mir nicht die Zeit, festzustellen, ob mein Gegner tatsächlich außer Gefecht gesetzt war. Schließlich war auch Davids Kiefer im Nu wieder geheilt. Deshalb rannte ich fort, aber wohin? Ich kannte mich weder im Wald aus, noch wusste ich, wie ich zum Haus zurückfinden sollte.
Ich horchte auf Geräusche, beispielsweise auf eine Gruppe von Werwölfen, die mich retten wollten, aber über das laut in meinen Ohren rauschende Blut hinweg konnte ich kaum etwas hören, und meine Schuhe stießen ständig an Äste und Steine, während ich so schnell rannte, wie mein Kleid es mir erlaubte.
Dieses blinde Wegrennen hatte nur den einen Vorteil, dass es den Abstand zwischen mir und meinem Verfolger vergrößerte. Ich würde einen sicheren Ort suchen, um mich erst mal zu orientieren. Doch noch bevor ich einen solchen entdeckt hatte, trat mir ein Mann in den Weg, und ich krachte mit vollem Tempo in ihn hinein.
Der Aufprall schien ihn kaum zu berühren, aber ich taumelte ein ganzes Stück zurück. Ich starrte ihn an und versuchte zu verstehen, wer es war. Ein Jäger? Nachts, auf einem Privatgrundstück? Er sah eher aus wie der Förster aus Rotkäppchen und der böse Wolf.
«Du hast mir gar keine Gelegenheit gegeben, dich zu retten.» Er klang gleichermaßen vorwurfsvoll wie enttäuscht, während er mich sofort auffing, und mich an seine Brust drückte. «Ich wäre so gerne schneidig und imponierend aufgetreten. Dir sollten die Sinne schwinden bei meinem Erscheinen.»
Ich kniff die Augen zusammen. Freund? Feind? Jedenfalls kein Wolf. Allerdings machte er auch keinen menschlichen Eindruck. Er roch so grün wie der Wald.
«Der hat dir aber ganz schön eins verpasst. Ich konnte mich gar nicht schnell genug verwandeln, um es zu verhindern. Tut mir leid.» Er hielt mich in einem Arm, während er mit sanften Fingern über die Seite meines Kopfes strich, die den Schlag abbekommen hatte.
«Verwandeln?»
«Ich war der bezaubernde Grashalm, den du gesehen hast, kurz bevor unsere hübsche Party ein jähes Ende nahm.»
Also der, der gewachsen und dann wieder geschrumpft ist, sodass ich dachte, ich würde gleich wieder ohnmächtig werden. «Also bist du, na ja, der Rasen?»
Er lachte, ein heller, klingelnder Ton. «Ich bin der Leshii. Herr des Waldes und Freund der Wölfe. Ich kann so klein sein wie ein Grashalm, oder so groß, wie du mich jetzt siehst.»
«Das muss ja eine Katastrophe in Sachen Garderobe sein.» Ich fühlte mich benommen und außer Atem, zittrig und erschöpft. Vielleicht war all dies hier nur eine Halluzination, und gleich würde ich auf der Gartenbank wieder zu mir kommen, während Will versuchte, mir Eisenhut einzuflößen, und David mit mir schimpfte, weil ich es schon wieder übertrieben hatte.
«Es macht Spaß», meinte der Leshii mit fröhlicher Stimme. «Und jetzt werde ich dich trotzdem retten. Du wirst dich sonst noch verlaufen.»
«Danke.»
Sein Streicheln bewirkte, dass mir schwindlig wurde. Nur für einen Moment schloss ich die Augen. Als ich sie wieder öffnete, saß ich auf der Bank, Will beugte sich über mich und sah besorgt aus, weiter weg hörte ich laute Rufe. Ich sah mich um, konnte aber keine Spur mehr vom Herrn des Waldes entdecken, oder wer auch immer das gewesen war. Vielleicht hatte er sich wieder dem Rasen angepasst.
«Ein Panther hat mich mitgenommen», erzählte ichWill. «Ich hab ihn im Wald
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