Nacht der Dämonen
es gesagt. Vielleicht blickt er durch seinen Spiegel oder er legt einen Schutzzauber um diese Höhle.«
Tiamu schluckte. »Oh.« Ihre Stimme klang verängstigt. Sonja lächelte ihr zu, um ihr Mut zu machen.
»Fürchtest du dich vor dem Zauberer, Tiamu?«
»Ich – ich weiß nicht. Er ist nicht wie der Hohepriester Mophis – aber trotzdem … Ja, ich glaube, ich habe Angst vor ihm. Was ist er für ein Mensch? Warum tut er all das?«
»Das weiß ich nicht, Tiamu. Ich habe Zauberer noch nie verstanden.«
Eine Weile saßen beide schweigend. Das Feuer glühte und knisterte leicht. Der Wind säuselte.
»Ich fürchte mich«, flüsterte Tiamu schließlich, und Sonja blickte sie an.
»Vor Saureb?«
»Nein. Wird er bei ihnen sein?«
Sonja atmete tief ein. »Der – der Zamorier? Wenn ja, musst du dir keine Sorgen machen. Saurebs Zauber wird uns beschirmen.«
Tiamu wisperte. »Weißt du, was ich gern täte, Sonja? Ihn umbringen! Doch zuvor möchte ich ihn leiden lassen, wie ich durch ihn gelitten habe.« Die Augen des Mädchens waren jetzt hart und hasserfüllt.
Sonja rückte näher zu ihr. »Ich weiß genau, was du empfindest, Tiamu.«
Tiamu erschauderte, dass ihre Decke zitterte. »Es lastete kein Fluch auf mir, Sonja, oder?«
»Nein.«
»Es war keine Strafe der Götter, nicht wahr? Es ist eben nur passiert, oder?«
»Ja, fürchte ich.«
»Kannst – kannst du mir vergeben, dass ich dich hierhergeschickt habe, weil – weil ich glaubte, du müsstest gegen das Erdvolk kämpfen?«
»Denk nicht mehr daran, Tiamu. Das ist von keiner Bedeutung. Schließlich hast du meine Flucht ermöglicht.«
»Du trägst es mir also nicht nach?«
Sonja lächelte nur, als wäre Tiamus Besorgnis völlig unnötig.
Tiamu streckte die Hände unter ihrer Decke hervor und hielt sie über die Glut. »Sonja?«
»Ja, Tiamu?«
»Was ist mit dir passiert – als es dir passierte …«
»Du meinst, als ich vergewaltigt wurde?«
»J-ja …«
Sonja überlegte einen Augenblick und starrte in die schwelenden Kohlen. »Es ist viel Zeit vergangen seither, doch manchmal empfinde ich es noch wie eine frische Wunde – denn ich wurde von jenem Hund nicht nur geschändet, sondern er hetzte auch noch eine Meute Söldner auf meine Familie und ließ meinen Vater, meine Mutter und meine Brüder vor meinen Augen ermorden.«
Tiamu blickte sie entsetzt an.
»Und bald danach«, fuhr Sonja bedächtig fort, ohne den Blick von der schwelenden Glut zu nehmen, »vielleicht, weil ich so von Hass oder Furcht oder Ekel oder Grimm erfüllt war, hatte ich eine Vision, und sie gab mir die Kraft meines Vaters. Immer schon hatte ich mir gewünscht, statt seiner Tochter sein Sohn zu sein, denn er behandelte mich, als hätte ich kein Recht, eine Klinge auch nur anzurühren. Doch danach stellte ich fest, dass ich mit seinem Schwert so gut umzugehen verstand, wie er zuvor. Ja, ich sah eine Erscheinung – einen Gott oder eine Göttin oder ein anderes hohes Wesen – und sie nannte mir mein Los. Von da ab suchte ich Rache und es ergab sich, dass ich jedem Schwertkämpfer zumindest ebenbürtig, wenn nicht überlegen war.«
»Und – du hast den gefunden, der dich …«
»Ja – und das war eine weitere Ironie des Schicksals. Ich wusste nicht, wer er war, als ich ihn fand, und ich rettete ihn vor Räubern, die ihn jedoch bereits zur Unkenntlichkeit mit ihren Messern gemartert hatten. Und als ich dann doch entdeckte, wer er war, vermochte ich meine Rache nicht mehr zu nehmen, da er bereits am Sterben war.« Sonja zuckte die Schulter. »Wenn man es recht bedenkt, gibt es eine Menge schwarzen Humor auf dieser Welt.«
»Das möchte ich ihm antun!« sagte Tiamu bitter. »Ihn mit einem Messer martern … Sonja, warum erschien mir kein solcher Gott oder ein hohes Wesen, das mir zur Rache verhelfen würde? Warum?«
Sonja seufzte.
Die Glut schwelte nur noch schwach und erlosch schließlich. Letzte Rauchfähnchen stiegen auf. Sonja erhob und streckte sich und schaute ins Freie. »Die Sonne müsste bald aufgehen«, bemerkte sie.
Ein Geräusch hinter ihnen veranlasste sie, sich umzudrehen. Saureb stand in der Höhle. Seine Augen glühten, und der Schein der Lampe in seiner Hand beleuchtete sein Gesicht. Tiamu holte hörbar erschrocken Luft. Der Zauberer wirkte finster – unmenschlich. Sonja zog erstaunt die Brauen hoch.
»Sie kommen«, sagte Saureb in grollendem Tonfall.
Tiamu blickte von Sonja auf Saureb und zurück.
»Seht selbst!« rief Saureb und seine Stimme klang
Weitere Kostenlose Bücher