Nacht der Dämonen
Höhle schrie Tiamu. Sonja griff nach ihr, um sie zu beruhigen.
»Was hat er getan?« rief Tiamu gellend. »Was hat er getan? Der Berg stürzt ein!«
»Tiamu! Tiamu, beruhige dich!«
Aber das Mädchen hatte zu viel mitgemacht, und dieses neue Grauen raubte ihr den Verstand. Sie riss sich von Sonja los, rannte zum Höhleneingang, dabei stolperte sie. und fiel mit dem Gesicht gegen den Felsen – im Blickfeld Keldums und seiner Männer.
Und Sonja rannte ihr nach.
»Tiamu, bleib …«
»Die Rote Sonja!« brüllte Keldum und befreite sich mit grimmiger Miene aus dem Dornbusch.
Sonja blickte hoch, die eine Hand auf Tiamus Arm und die andere am Schwertgriff. Übelkeit stieg in ihr auf, doch Wut und Hass verdrängten diese, und sie zog stolz ihre Klinge.
»Komm, Keldum, Hund eines Hundes!« rief sie. »Möchtest du mich für deine eigene Untat töten, du Sohn einer zamorianischen Hure?«
Keldum ging auf sie zu. Er achtete nicht auf Saureb und zeigte keine Angst. Hefei schrillte, Tiamu wimmerte, und fünfzig Soldaten schauten zu und warteten atemlos auf den nächsten Zug ihres Kommandanten …
Aber Saureb, der nun der Gott der Rache selbst zu sein schien, hob beide Arme gen Himmel, und schrie mit durchdringender Stimme, noch ehe Sonja und Keldum einander erreicht hatten:
»O Belthal – lass diese Bewaffneten VERSCHWINDEN!«
Stille antwortete ihm – und dann ein Licht von so blendender Helligkeit, dass Sonja die Augen beschirmte und den Atem anhielt. Keldum, den ein plötzlicher Wind erfasste, stolperte und rollte den felsigen Hang hinunter, fort von seinem Trupp und der Höhle.
Und nun krachte Donner überall, während Dutzende von Pferden mit ihren Reitern gegeneinander geschmettert wurden, während das blendende Licht in der Luft zu explodieren und alle in einem zeitlosen, pulsierenden Augenblick der Unwirklichkeit zu erstarren schienen.
Saureb senkte seinen Stab. Die dämonische Kraft, die er herbeibeschworen hatte, zerriss einen Herzschlag lang die Luft – ein Flammenstrom aus der Hölle, angetrieben von der grenzenlosen Macht, die er durch seinen Hass herbeigerufen hatte – und brandete gegen die zamorianischen Soldaten wie eine unirdische Flutwelle. Verbrennende, versengende Hitze unirdischer Art erfasste jene unmittelbar in Reichweite des Stabes, während die Wucht dieses dämonengetriebenen Infernos wie eine riesige Faust alle den Hang hinunterschmetterte – schreiend, sterbend, fort von Saureb und seinem Zorn, fort von Sonja und Tiamu …
Langsam kehrte das Leben zurück und auf seltsame Weise, wie zu Leichen, die bereits eine unendliche Zeit in ihren Gräbern lagen. Keldum, der in eine andere Richtung als seine Soldaten geworfen worden war, war am glimpflichsten davongekommen, doch selbst er schnappte würgend nach Luft, als wäre er unter einer dicken Wolke giftigen Gases begraben. Und als er die Augen öffnete, hätte er fast aufgeschrien, denn er sah nichts als ein weißes Glühen, das nur allmählich und schmerzhaft schwand.
Ähnlich erging es den anderen Überlebenden seines Trupps. Alle Soldaten waren den Hang hinuntergerutscht oder gerollt, und etwa die Hälfte würde nie wieder atmen oder kämpfen.
Gevem, der staunte, dass er noch lebte, kämpfte sich in seiner Furcht zu ersticken, wild aus einem Haufen Geröll und Schutt, wie er vermeinte. Erst als sein Verstand wieder klar arbeitete und er wieder imstande war zu sehen, erkannte er, dass er sich seinen Weg durch einen Haufen toter Kameraden und Pferdekadaver gegraben hatte, die alle gleichermaßen verbrannt oder versengt und bereits zu einer verrottenden Masse zusammengefallen waren.
Ein Überlebender nach dem anderen plagte sich unter den Toten hervor oder half seinen Kameraden. Als das Gehör zurückkehrte, war nichts anderes zu vernehmen als das Schreien, Wimmern, Ächzen und Stöhnen jener, die von den Dämonenkräften verwundet, aber nicht getötet worden waren. Viele der Überlebenden mussten feststellen, dass sie durch den schrecklichen Zauber, den Saureb in seinem Grimm auf sie herabgerufen hatte, für immer verkrüppelt, gezeichnet oder verstümmelt waren.
9
In manchen Gegenden im Westen erzählte man sich eine Legende, von der auch Sonja gehört hatte: die Geschichte eines Gottessohnes, der von seinem Vater verflucht und aus den Hallen der Götter verstoßen worden war, um wie die Sterblichen zu leiden und ruhelos durch die Welt zu ziehen. Jene, die an diese; Legende glaubten, waren überzeugt, dass diesem
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