Nacht der Füchse
die Stirn und trat ihm in die Seite, als er zu Boden ging. Überraschend schnell ließ sich Gallagher abrollen und kam auf ein Knie hoch.
»Gott steh uns bei, Sie können ja nicht mal richtig treten!«
Er rappelte sich auf, und Kleist griff wieder an. Er hatte die Arme ausgestreckt und wollte den anderen vernichten. Gallag her ließ sich zur Seite fallen und stellte dem Deutschen dabei ein Bein, so dass er mit dem Kopf gegen die Scheunenwand knallte. Der Ire versetzte ihm eins rechts und links in die Nie rengegend. Kleist schrie spitz auf, und Gallagher zog ihn her um, packte ihn fest an den Aufschlägen und brach dem Deutschen mit vorzuckender Stirn das Nasenbein. Dann trat er zurück. Kleist schwankte und sank zu Boden.
»Saukerl!«, brüllte Greiser.
Gallagher fuhr herum und sah den Feldwebel mit gezogener Mauser vor sich stehen. Im gleichen Augenblick peitschte ein Schuss und ließ vor Greisers Füßen den Sand hochspritzen. Alle wandten sich zu Martineau um, der mit gezogener Walther
den Hang herabkam.
»Wegstecken!«, befahl er.
Greiser starrte ihn an und reagierte erst, als Kleist sich müh sam aufrappelte und heiser sagte: »Tu, was er sagt, Ernst.«
Greiser gehorchte, und Martineau sagte: »Gut. Sie beide sind völlig unwürdige Vertreter dessen, wofür das Reich eintritt. Diesen Punkt werde ich später mit Ihrem Vorgesetzten klären. Jetzt verschwinden Sie.«
Greiser versuchte Kleist zu stützen. Der große Mann aber schüttelte ihn ab und verschwand zwischen den Bäumen. Gal lagher drehte sich um und rief zu Mary Vibert hinauf: »Geh weiter, Mädchen, geh zum Haus!«
Sie machte kehrt und lief davon. Sarah zog ein Taschentuch und wischte Gallagher Blut vom Mund. »Ich hatte keine Ah nung, was für eine gefährliche Mischung aus Jersey- und Iren blut entsteht.«
»Ein hübscher Tag für so etwas, Gott sei gedankt.« Mit zu gekniffenen Augen schaute Gallagher zur Sonne auf. »Die Zei ten können nur besser werden.« Grinsend wandte er sich an Martineau. »Sie haben nicht zufällig eine Zigarette bei sich? Ich scheine meine zu Hause gelassen zu haben.«
11
Martineau und Sarah fuhren durch St. Aubin hinab in Richtung Bei Royal und kamen dabei an etlichen Bunkern und Ge schützstellungen vorbei. Der Himmel war strahlend blau, die Sonne schien, nur am Horizont hinter Fort Elizabeth ragten dunkle Wolken auf.
»Regen«, sagte sie. »Typisches Jersey-Frühlingswetter. Eben noch herrlicher Sonnenschein, aber gleich darauf fegen Regen böen über die Bucht, manchmal nur minutenlang.«
»Es ist wärmer, als ich erwartet habe«, bemerkte er. »Fast wie am Mittelmeer.« Mit einem Kopfnicken deutete er auf die Gärten, die links und rechts vorbeihuschten. »Besonders wegen der vielen Palmen. Damit hatte ich nicht gerechnet.«
Sarah schloss die Augen und lehnte sich zurück. »Die Insel hat im Frühling einen ganz besonderen Geruch. So etwas gibt es sonst nirgendwo auf der Welt.« Sie öffnete die Augen und lächelte. »Wenn ich so etwas sage, spricht die de Ville aus mir. Hoffnungslos voreingenommen. Warum hast du die Uniform ausgezogen?«
Er trug den ledernen Militärmantel, darunter aber einen grauen Tweedanzug mit Weste, weißes Hemd und schwarze Krawatte. Der Schlapphut war ebenfalls schwarz, die Krempe vorn und hinten herabgezogen.
»Reine Taktik«, antwortete er. »Die entscheidenden Leute wissen längst, dass ich hier bin und wer ich bin – dank Müller. Wenn ich nicht unbedingt will, brauche ich nicht in Uniform aufzutreten. SD-Offiziere tragen sowieso meistens Zivil. Damit unterstreichen wir unsere Macht. Die Leute reagieren noch ängstlicher.«
»Du hast gesagt: ›unsere‹ Macht.«
»Ach?«
»Ja. Du machst mir manchmal Angst, Harry.«
Er ließ den Kübelwagen am Straßenrand halten und stellte den Motor ab. »Gehen wir ein Stück spazieren.«
Als er ihr aus dem Fahrzeug geholfen hatte, musste sie einen Moment warten und einen Militärzug vorbeirattern lassen; dann überquerten sie die Gleise und gingen zur Mole hinüber. Dort fanden sie ein Cafe, das offenbar aus der Vorkriegszeit stammte und längst geschlossen war; ganz in der Nähe erhob sich ein riesiger Bunker.
Plötzlich war Musik zu hören. Zwei junge Soldaten hockten auf der Mole und hatten ein tragbares Radio zwischen sich ste hen. Unten im Sand spielten Kinder, die Mütter lehnten mit dem Rücken an der Mauer und hatten die Gesichter der Sonne zugewendet. Mehrere deutsche Soldaten, begleitet von
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