Nacht der Füchse
dass Heine und die anderen übers Wochenende zu General von Schmettow nach Guernsey fahren – da hat er freie Bahn, hier aus heiterem Himmel hereinzuplatzen und uns auseinander zu nehmen. Ich weiß, wie Rommel solche Sachen macht, Müller. Der wird sich alles anschauen wollen – bis zur letzten MG-Stellung.«
»Endlich klärt sich das Rätsel«, sagte Müller.
»Wie bitte?«
»Na, weswegen Vogel hier ist. Das passt doch nun zusam men.«
»Ja, da haben Sie wohl Recht«, meinte Necker. »Aber das ist ja nun unwichtig. Wir sehen uns am Flughafen.«
Er legte auf, zögerte, griff erneut zum Hörer und ließ sich von der Zentrale mit dem De-Ville-Anwesen verbinden. Marti neau und Orsini waren eben zurückgekehrt, und Helen benutzte den Apparat in der Küche.
»Für Sie!«, rief sie Martineau zu. »Major Necker.«
Er nahm ihr den Hörer ab. »Hier Vogel.«
»Guten Morgen«, begrüßte ihn Necker. »Es überrascht Sie sicher keineswegs, zu erfahren, dass Generalfeldmarschall Rommel in gut einer halben Stunde auf dem Flughafen ein trifft.«
Martineau ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. »Verstehe.«
»Natürlich werden Sie ihn begrüßen wollen. Wir sehen uns also am Flughafen.«
Langsam legte Martineau den Hörer auf und schaute Sarah und Gallagher entgegen, die aus dem Garten ins Haus kamen. »Was ist, Harry?«, fragte Sarah. »Du siehst ja ganz er schrocken aus.«
»Kein Wunder«, sagte er. »Ich fürchte, unser kleines Schau spiel bekommt einen Inspizienten.«
Im Silvertide stand Müller im Badezimmer neben seinem Büro und streifte hastig die Uniform über. Plötzlich hörte er drüben die Tür gehen. »Sind Sie da, Herr Hauptmann?«, rief Kleist. »Sie wollten uns sprechen.«
»Ja, kommen Sie!«, antwortete Müller.
Den Rock zuknöpfend eilte er ins Büro hinüber, dann warf er sich das Koppel mit der Mauser um und schloss es hastig.
»Ist etwas los?«, fragte Kleist. Er sah schrecklich aus. Die Verfärbungen rings um seine Augen waren noch dunkler ge worden, und der Gips, den man ihm im Krankenhaus auf die Nase festgeklebt hatte, machte ihn auch nicht schöner.
»Kann man wohl sagen. Ich habe eben erfahren, dass uns Rommel besucht. Sieht nach einer Überraschungsinspektion aus. Ich muss sofort zum Flughafen.« Er wandte sich an Grei ser. »Sie werden mich hinbringen, Ernst.«
»Und ich?«, fragte Kleist.
»Mit dem Gesicht? Sie kommen mir Rommel nicht unter die Augen. Nehmen Sie sich zwei Tage frei, Willi. Bleiben Sie um Himmels willen in Deckung.« Er schaute Greiser an. »Nun los.«
Als sie fort waren, näherte sich Kleist dem Schrank mit den Getränken, nahm eine Flasche Cognac heraus und schenkte sich großzügig ein. Er kippte den Alkohol hinunter, ging ins Badezimmer und betrachtete sich im Spiegel. Er sah schlimm aus, und das Gesicht schmerzte. Dieser verdammte Ire!
Kleist gönnte sich einen zweiten Cognac und sagte leise: »Wart’s ab, du Schwein, bald bin ich an der Reihe, und dann…« Er prostete seinem Spiegelbild zu und leerte das Glas in einem Zug.
Als der Citroen den Hafen hinter sich ließ und auf die Kü stenstraße einbog, sagte Greiser: »Ach, da fällt mir das Tele fongespräch ein, das ich mit Stuttgart geführt habe.«
»Was hat Ihr Bruder gesagt?«
»Nichts. Er war auf Urlaub. Ich erreiche ihn erst heute zur Nachtschicht. Ich spreche dann mit ihm.«
»Ist im Augenblick nicht mehr wichtig«, meinte Müller. »Das Rätsel um unseren Freund Vogel hat sich geklärt. Offen bar ist er als Vorhut des Generalfeldmarschalls auf der Insel.«
»Aber was will Rommel?«, fragte Greiser.
»Zählt man alle Küstenbefestigungen, Unterstände und Ge schützbatterien an der französischen Küste südlich von Diep pes zusammen, so befindet sich genau die Hälfte davon auf diesen Inseln«, führte Müller aus. »Da nun die Invasion bevor steht, wollte er sich vielleicht endlich mal anschauen, wofür er das viele Geld ausgegeben hat.« Er schaute auf die Uhr. »Aber
das ist jetzt nebensächlich. Geben Sie Gas. Wir haben nur noch zehn Minuten Zeit.«
Am Flughafen musste Martineau warten, bis der Posten seinen Ausweis untersucht hatte. Da er in Uniform erschienen war, fiel die Prüfung sehr kurz aus. Mehrere Wagen standen bereits vor dem Haupteingang, die Fahrer warteten daneben, anschei nend das offizielle Begrüßungskomitee. An der großen schwar zen Austin-Limousine, die ganz vorn stand, hing der Wimpel des Militärkommandanten.
Martineau
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