Nacht der Füchse
Necker.
»Ausgezeichnet. Ich möchte alles sehen. Sie verstehen? Ich fliege morgen zurück, wahrscheinlich am Abend, wir brauchen also eine geeignete Unterkunft für eine Nacht. Aber das hat noch Zeit.«
»Die Offiziere der Messe der Luftwaffe haben ein leichtes Mittagessen vorbereitet, Herr Generalfeldmarschall. Es wäre uns eine große Ehre, wenn Sie daran teilnehmen würden.«
»Gewiss Major – aber hinterher gleich an die Arbeit. Ich muss mir vieles ansehen. Also, wohin?«
Die Offiziersmesse befand sich im ersten Stock des Hauptge bäudes und hatte vor dem Krieg das Restaurant beherbergt. Ein kaltes Büffet aus Salaten, Brathühnchen und Dosenschinken stand bereit, und es servierten nervöse junge LuftwaffenGefreite in weißen Jacken. Die Offiziere wussten, dass sie eine geschichtsträchtige Person zu Besuch hatten, und ließen sich kein Wort des Generalfeldmarschalls entgehen. Baum hielt lässig ein Glas Champagner in der Hand und genoss seinen Auftritt. Es war, als schaue er sich selbst von oben zu und beo bachte die Szene. Eins war klar. Er war gut.
»Wir sind überrascht, dass Sie bei Tag geflogen sind, Herr Generalfeldmarschall«, sagte Necker.
»Und ohne Jägereskorte«, fügte Müller hinzu.
»Ich bin immer dafür, das Unerwartete zu tun«, antwortete Baum. »Und vergessen Sie nicht, dass wir Oberleutnant Sorsa als Piloten am Knüppel hatten, einen unserer mutigen finni schen Kameraden. Normalerweise fliegt er JU-88-Nachtjäger und kann bisher achtunddreißig registrierte LancasterAbschüsse vorweisen – was sein Ritterkreuz erklärt.« Sorsa, ein kleiner, temperamentvoller Fünfundzwanzigjähriger mit blondem Haar, machte ein bescheidenes Gesicht, und Baum fuhr fort: »Ich muss Ihnen außerdem sagen, dass wir so tief übers Meer gebraust sind, dass uns die Wellen hätten gefährli cher werden können als alles, was die RAF in den Einsatz bringen konnte.«
Die Runde lachte befreit auf, und Baum empfahl sich und ging, gefolgt von Hofer, zur Toilette.
Martineau hatte sich im Hintergrund gehalten und alles beo bachtet. Er trank nur wenig. Müller blieb vor ihm stehen. »Ein bemerkenswerter Mann.«
»O ja«, antwortete Martineau. »Einer der wenigen echten
Kriegshelden. Ach, wie geht es Ihrem Inspektor, Kleist?«
»Nicht gut.«
»Ein dummer Mann«, fuhr Martineau fort. »Aber das wissen Sie wohl selbst. Noch Champagner?«
Im Toilettenvorraum überprüfte Baum sein Aussehen im Spie gel und fragte Hofer: »Wie läuft’s?«
»Hervorragend«, antwortete der Major begeistert.
»Es gibt Momente, da glaube ich fast, Sie wären der Alte.«
»Gut.« Baum kämmte sich und rückte die Gesichtspolster zurecht. »Was ist mit dem SS-Oberst? Mit dem hatte ich nicht gerechnet.«
»Vogel?« Hofer machte ein ernstes Gesicht. »Ich habe mit Necker über ihn gesprochen. Der Mann tauchte gestern überra schend auf der Insel auf, mit einer Sondervollmacht, die von Himmler und dem Führer unterschrieben ist. Bisher hat er nicht verlauten lassen, was er will.«
»Ich weiß nicht recht«, sagte Baum. »Bei diesen Saukerlen fühlt man sich immer ganz komisch. Sind Sie sicher, dass sein Auftauchen nichts mit mir zu tun hat?«
»Wie sollte es? Das Hauptquartier Heeresgruppe B hat erst vor Stunden bekannt gegeben, dass Sie in Jersey sind. Kein Grund zur Panik, zurück an die Front.«
Necker sagte: »Wenn Sie bitte ins Büro des Kommandanten kommen würden, Herr Generalfeldmarschall. General von Schmettow möchte Sie gern am Telefon sprechen.«
Baum setzte sich lässig auf die Schreibtischkante und nahm den Hörer, der ihm gereicht wurde. »Mein guter von Schmet tow. Wir haben uns lange nicht gesehen.«
»Eine unerwartete Ehre für mein Kommando«, sagte General von Schmettow. »Heine ist ganz schön aufgebracht und möchte sofort zurückfahren.«
»Sagen Sie ihm, wenn er das tut, kommt er vors Erschie ßungskommando«, sagte Baum munter. »Der junge Necker kann mich genauso gut herumführen. Ein guter Offizier. Nein, ich bin so ganz zufrieden.«
»Gedenken Sie auch Guernsey zu besuchen?«
»Diesmal nicht. Ich kehre morgen nach Frankreich zurück.«
»Dann können wir Sie sicher zu einem späteren Zeitpunkt erwarten.« Es knackte unangenehm in der Leitung.
»Selbstverständlich, und Sie werden nicht lange warten müs sen, das verspreche ich Ihnen. Alles Gute.«
Baum legte den Hörer auf und fixierte Necker. »An die Ar beit. Küstenbefestigungen, danach steht mir der Sinn. Auf,
Weitere Kostenlose Bücher