Nacht der Füchse
Kriegsmarine im Hotel Pomme d’Or aufgesucht hatte.
Der Auftritt des Italieners durch die Gardine war jedenfalls ebenso dramatisch wie überraschend gewesen. Allerdings klang sein Vorschlag, sich mit ihm zusammenzutun, recht ver nünftig. Selbst wenn Orsini überzeugter Faschist gewesen wä re, war doch erkennbar, wer diesen Krieg gewinnen würde, und in Italien hatte so mancher begeisterter Mussolini-Anhänger im Handumdrehen die Seite gewechselt. Bei Orsini lag der Fall ohnehin anders. Dies hatten Helen und Gallagher immer wie der versichert – und auch Sarah, die sich bei Martineau sehr für Orsini eingesetzt hatte.
Der junge Italiener kam die Treppe herauf, grüßte einige deutsche Marinesoldaten und stellte sich neben Martineau. »Gehen wir zum Ende der Pier.«
»Was haben Sie festgestellt?«, fragte Martineau.
»Vielleicht gibt’s eine Möglichkeit. Sonntag früh wird ein kleiner Konvoi aus Guernsey erwartet. Der Kapitän eines Schiffes, eines holländischen Küstenfrachters namens Jan Krüger, ist gestern krank geworden. Bis Jersey führt der Bootsmann das Kommando.«
»Und dann?«
»Dann wird unser alter Freund Robert Savary das Komman
do übernehmen, bis Granville.«
»Das ist nun interessant«, stellte Martineau fest. »Wann kann ich mit ihm sprechen?«
»Das ist das Problem. Nach dem Untergang der Victor Hugo wurde er von einem Küstenboot aus St. Malo aufgefischt. Er dürfte morgen am frühen Abend aus Granville hier eintreffen – mit einem schnellen Patrouillenboot. Wir nennen’s das Depe schenboot.«
»Und Sie meinen, er wäre bereit, Kelso hinüberzuschmug geln?«
Orsini zuckte die Achseln. »Nach dem, was Sie mir über sei ne bisherigen Tätigkeiten erzählt haben, hat er doch seine wun den Punkte. Bestimmt kann man Druck auf ihn ausüben. Wie könnte er nach allem, was er schon gemacht hat, Nein sagen?«
»Sie haben Recht«, antwortete Martineau. »Außerdem weiß er, dass ihm die Cressons ein kostenloses Begräbnis bescheren, Priester inklusive, wenn er sich danebenbenimmt.« Er lächelte. »Wissen Sie was, Graf? Ich glaube fast, Sie werden nun ein wichtiger Aktivposten in unserer Firma.«
»Mag sein«, sagte Guido. »Aber damit wir uns richtig ver stehen…«
»Sprechen Sie sich aus.«
»Ich habe die Nase voll von Tod und Zerstörung. Ich bin es leid, töten zu müssen, die Politik steht mir bis hier. Die Alliier ten werden den Krieg gewinnen, das ist unvermeidlich – Jersey ist also der perfekte Ort für einen vernünftigen Burschen wie mich, der die letzten Monate einigermaßen bequem hinter sich bringen möchte. Dabei wollen wir nicht so tun, als könnte et was, das hier geschieht, noch irgendetwas ändern. Fiele Kelso den Deutschen in die Hände, würden Eisenhowers Invasions pläne schlimmstenfalls unangenehm behindert werden. An seinem Sieg würde sich letztlich nichts ändern. Wir stecken hier in einem ziemlich interessanten Spiel. Ich weiß, dass es auch gefährlich ist – aber es ist trotzdem nur ein Spiel.«
»Warum machen Sie dann mit?«
»Ich glaube, Sie kennen die Antwort«, sagte Guido, während sie die Treppe hinunterliefen und sich seinem Wagen näherten. Er lächelte freundschaftlich. »Lassen Sie sich eines sagen,
mein Freund. Es gibt nichts Gefährlicheres als einen Freigeist, der plötzlich spürt, dass er sich in eine tolle Frau verliebt hat.«
Felix Necker wollte gerade die Kommandantur verlassen, um am Strand von St. Aubin eine Stunde zu reiten, als das Telefon klingelte. Er nahm den Hörer ab und hörte zu – dabei erschien ein Ausdruck des Entsetzens auf seinem Gesicht. »Mein Gott! Wann ist mit der Ankunft zu rechnen? Gut, sorgen Sie für eine Ehrenkompanie. Ich komme so schnell wie möglich!«
Er knallte den Hörer auf die Gabel und verharrte einen Au genblick lang reglos, während sich seine Gedanken überschlu gen, dann griff er wieder zum Apparat und wählte die Nummer der Geheimen Feldpolizei im Silvertide-Hotel.
»Herr Major«, sagte Müller, als die Verbindung zustande gekommen war, »was kann ich für Sie tun?«
»In einer Dreiviertelstunde landet Rommel auf dem Flugha fen.«
»Wer?«
»Generalfeldmarschall Erwin Rommel, Sie Idiot! Er besucht uns mit seinem Adjutanten, einem gewissen Major Hofer. Mit einem Fieseler-Storch unterwegs aus der Normandie.«
»Aber wieso?«, wollte Müller wissen. »Ich verstehe den Grund nicht.«
»Ich schon«, erwiderte Necker. »Es passt alles zusammen. Er ordnet an,
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