Nacht der Füchse
nicht?«
»Eigentlich darf ich nichts wissen, aber ich habe auch Oh ren.« Baum nahm sich eine Zigarette aus dem Etui des Gene ralfeldmarschalls, steckte sie in die Elfenbeinspitze, die Rom mel ihm überlassen hatte, und zündete sie an. »Er trifft sich heimlich mit den Generälen von Stülpnagel und Falkenhausen. Soweit ich mitbekommen habe, eine äußerst ungesetzliche Sa che. Anscheinend haben diese drei und etliche andere Generäle erkannt, dass der Krieg verloren ist, und wollen Hitler loswer den, um aus dem Chaos zu retten, was noch zu retten ist.«
»Denkbar wäre das«, sagte Martineau. »Es hat schon mehre re Anschläge auf Hitler gegeben.«
»Spinner, allesamt!«, sagte Baum.
»Sie sind damit nicht einverstanden? Das überrascht mich.«
»Der Krieg ist sowieso verloren. Die Kapitulation ist nur noch eine Frage der Zeit, also ist eigentlich jede Art von Ver schwörung sinnlos. Wenn Himmler, dieses Schwein, mit den Beteiligten fertig ist, baumeln sie in der Schlinge – nicht dass mich das bekümmert. Die meisten haben seinerzeit dazu beige tragen, dass Hitler überhaupt an die Macht kommen konnte.«
»Stimmt.«
»Andererseits bin ich nicht nur Jude, sondern auch Deut scher. Ich bin Rommel in den letzten Tagen ziemlich nahe ge kommen. Er ist in Ordnung. Er steht nur auf der falschen Seite. Nun wissen Sie alles über mich. Und Sie? Was machen Sie hier?«
Martineau berichtete kurz von Kelso, gab aber zunächst noch keinen Hinweis auf die Verbindung zur Operation Overlord. Als er fertig war, sagte Baum: »Ich wünsche Ihnen Glück. So wie sich die Sache anhört, wird es schwierig, den Mann mit dem Boot von der Insel zu bringen. Ich kann morgen Abend immerhin fliegen. Ein hübscher, schneller Abgang.«
Plötzlich sah Martineau die perfekte Lösung für sein Pro blem. Genial! »Eine Frage«, sagte er. »Drüben werden Sie zu Ihrem Regiment zurückgeschickt?«
»Möglich wär’s.«
»Mit anderen Worten – in den nächsten Monaten geraten Sie
wie alle anderen in große Gefahr, weil nämlich die Invasion kommt und Ihre Fallschirmjäger im dicksten Gewühl landen werden.«
»Damit ist zu rechnen.«
»Hätten Sie nicht Lust, stattdessen nach England zu reisen?«
»Sie machen Witze!«, sagte Baum verblüfft. »Wie soll ich das schaffen?«
»Denken Sie mal nach.« Martineau stand auf und ging im Zimmer auf und ab. »Was ist für Sie der nützlichste Aspekt an der Rolle von Generalfeldmarschall Erwin Rommel?«
»Sagen Sie’s mir.«
»Die Tatsache, dass alle genau das tun, was Sie befehlen. Zum Beispiel fahren Sie morgen Abend zum Flughafen, um in dem Fieseler-Storch, mit dem Sie gekommen sind, nach Frank reich zurückzufliegen.«
»Und?«
»Auf dem Fliegerhorst steht ein JU-52-Transporter, die Postmaschine, die etwa um dieselbe Zeit nach Frankreich star ten soll. Was würde wohl geschehen, wenn Generalfeldmar schall Rommel kurz vor dem Start mit einem SSStandartenführer, einem Verwundeten auf einer Trage und ei ner jungen Französin erschiene und das Flugzeug übernähme? Was würde man wohl dazu sagen?«
»Wohl nicht viel«, antwortete Baum lächelnd.
»Sobald wir in der Luft sind«, fuhr Martineau fort, »wäre die englische Küste in einer halben Stunde zu erreichen.«
»Mein Gott!«, sagte Baum ehrfürchtig. »Sie würden das ja wirklich durchziehen!«
»Wollen Sie nach England oder nicht?«, fragte Martineau. »Entscheiden Sie sich. Wären wir uns nicht begegnet, müssten Sie morgen zurück nach Frankreich zu Ihrem Generalfeldmar schall – und wer weiß, was dann aus Ihnen würde. Ein weiterer Anschlag auf den Führer würde fehlschlagen – ein frühes Ende für Erwin Rommel. Sicher auch mit Auswirkungen auf alle, die mit ihm zu tun haben. Sehen wir den Tatsachen doch ins Auge – die Gestapo und Himmler würden Sie wirklich sehr verdäch tig finden.«
»Sie können einen wirklich mit Argumenten einwickeln«, sagte Baum.
Martineau zündete sich eine Zigarette an. »Selbst wenn Sie überleben, mein Freund, wird Berlin doch bald in Schutt und Asche liegen. Die Russen wollen Blut sehen, und wahrschein lich werden die Alliierten sie nicht daran hindern, sich auszu toben.« Er schaute durch den Gardinenspalt in die Nacht hinaus. »Nein, ich glaube ehrlich, was ich Ihnen biete, ist für einen intelligenten Mann wie Sie die einzige vernünftige Lö sung.«
»Als Versicherungsvertreter könnten Sie viel Geld verdie nen«, sagte Baum. »Zufällig habe
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