Nacht der Hexen
die entweder für Kindschaftsfragen oder für Strafrechtssachen zuständigwaren. Es war Samstag, also traf ich dort niemanden an; ich hinterließ eine detaillierte Nachricht und bat meine Anwältin, mich am Montag zurückzurufen.
Dann ging ich in die Küche, griff mir ein Kochbuch und versuchte etwas Interessantes zu finden, das ich zum Abendessen machen konnte. Wahrend ich noch über den diversen Möglichkeiten meditierte, kam Savannah in die Küche, holte ein Glas aus dem Schrank und goss sich Milch ein. Die Vorratsschranktür knarrte. Eine Tüte knisterte.
»Keine Kekse mehr«, sagte ich. »In einer halben Stunde gibt es Essen.«
»Eine halbe Stunde? So lang kann ich nicht –« Sie unterbrach sich. »Äh, Paige?«
»Was?« Ich sah von meinem Kochbuch auf und stellte fest, dass sie durch die Küchentür zum Wohnzimmerfenster hinübersah.
»Ist das so gemeint, dass da Leute auf dem Rasen Camping spielen?«
Ich beugte mich vor, um zum Fenster hinsehen zu können; dann knallte ich das Kochbuch zu und ging zur Haustür.
Da werden Männer zu Hyänen
I ch riss die Tür auf und marschierte auf die Veranda hinaus. Das Objektiv eines Camcorders schwenkte grüßend in meine Richtung.
»Was ist hier los?«, fragte ich.
Der Mann mit dem Camcorder trat zurück, um mich besser ins Bild zu bekommen. Nein, kein Mann, ein Junge, vielleicht siebzehn oder achtzehn Jahre alt. Neben ihm stand ein weiterer junger Mann im gleichen Alter und trank Gatorade. Beide waren vollständig in Schwarz gekleidet, alles ein paar Nummern zu groß, von den schlabbernden T-Shirts über die nach hinten gedrehten Kappen und Springerstiefel bis zu den Hosen, die jeden Moment zu den Schuhen hinunterzurutschen drohten.
Auf der anderen Seite des Rasens, so weit wie möglich von den jugendlichen Filmkünstlern entfernt, standen zwei Frauen mittleren Alters in Schulmamsellkleidern – scheußlich bedruckten, wenig schmeichelhaften Säcken, die alles zwischen Kinn und Wade züchtig verhüllten. Trotz des warmen Junitags trugen beide Frauen Strickjacken, die schon ein paar Mal zu oft in der Waschmaschine gewesen waren. Als ich mich in ihre Richtung drehte, stiegen zwei Männer ähnlichen Alters aus einem in der Nähe geparkten Kleinbus. Beide steckten indunkelgrauen Anzügen, so abgetragen und schlecht sitzend wie die Kleider der Frauen. Sie kamen näher und stellten sich zu beiden Seiten der Damen auf, als wollten sie Verstärkung liefern.
»Da ist sie«, flüsterte eine der Frauen laut ihren Begleitern zu. »Das arme Mädchen.«
»Sehen Sie mal«, sagte ich, »es ist wirklich nicht so schlimm. Ich bin Ihnen sehr dankbar für die Unterstützung, aber –« Ich unterbrach mich, als mir aufging, dass sie nicht mich ansahen. Ich drehte mich um und sah Savannah in der Tür stehen.
»Keine Angst, meine Süße«, rief einer der Männer. »Wir tun dir nichts. Wir wollen dir helfen.«
»Helfen?«, fragte sie zwischen zwei Keksen. »Bei was helfen?«
»Deine unsterbliche Seele zu retten.«
»Hä?«
»Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte die zweite Frau.
»Es ist noch nicht zu spät. Gott weiß, dass du unschuldig bist, dass du gegen deinen Willen zur Sünde verführt wurdest.«
Savannah verdrehte die Augen. »Also bitte. Legt euch mal ein Leben zu.«
Ich schob Savannah wieder ins Haus, knallte die Tür zu und hielt die Klinke von außen fest.
»Sehen Sie«, sagte ich, »ich will ja nicht Ihr Recht auf freie Meinungsäußerung bestreiten, aber Sie können hier nicht –«
»Wir haben von der schwarzen Messe gehört«, sagte der Junge ohne Kamera. »Können wir sie sehen?«
»Es gibt nichts zu sehen. Es ist alles weg. Es war ein ziemlich kranker Streich, das ist alles.«
»Haben Sie wirklich ein paar Katzen getötet? Sie abgehäutet und zerschnitten?«
»
Jemand
hat drei Katzen getötet«, sagte ich. »Und ich hoffe, sie finden denjenigen, der das getan hat.«
»Was ist mit dem Baby?«, fragte sein Freund mit der Kamera.
»B-baby?«
»Yeah, ich hab gehört, sie haben ein paar Teile gefunden, die sie nicht identifizieren können, und sie glauben, es ist dieses Baby, das da in Boston verschwunden ist, und –«
»Nein!«, sagte ich; meine Stimme klang scharf in der stillen Straße. »Katzen haben sie gefunden, sonst nichts. Wenn ihr weitere Informationen wollt, dann schlage ich vor, ihr wendet euch an die Polizei von East Falls oder gleich an die Staatspolizei von Massachusetts, weil ich dazu sonst nichts zu sagen habe. Noch besser
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