Nacht der Hexen
gewöhnlicher Sorgerechtsstreit bei ihr zu einer ausgewachsenen Hexenjagd wird?«
Cortez erschien neben mir. »Bitte gehen Sie. Jetzt.«
»Sonst werden Sie was tun? Mich k.o. schlagen und zu diesem armen Mann in den Keller sperren?«
»Er ist nicht derjenige, vor dem ihr Angst haben solltet«, sagte eine Stimme sanft.
Savannah kam die Stufen herauf und lächelte Victoria zu.
»Würdet ihr gern sehen, was meine Mutter mir wirklich beigebracht hat?«
Ich brachte sie mit einem schnellen Kopfschütteln zum Schweigen. Bevor ich etwas sagen konnte, fegte Victoria aus der Küche, Therese auf den Fersen. Bevor sie die Hintertür erreicht hatte, drehte sie sich noch einmal um und sah mir ins Gesicht.
»Das war keine leere Drohung, Paige. Du findest ein Zuhause für das Mädchen und bringst das hier in Ordnung – oder du bist im Zirkel nicht mehr willkommen.«
Was tat ich also als Nächstes? In meinem Zimmer verschwinden, mich ausheulen und mich fragen, wie es eigentlich hatte passieren können, dass mein Leben so fürchterlich aus dem Gleis geriet? Die Versuchung war groß, aber den Luxus des Selbstmitleids konnte ich mir nicht erlauben. Ich hatte eine blutgierige Meute im Vorgarten, einen bewusstlosen Erforscher paranormaler Phänomene auf der Kellertreppe, und irgendwo da draußen hatte sich ein ganzes Sondereinsatzkommando der Aufgabe verschrieben, mein Leben zu ruinieren. Gerade jetzt war die Aussicht darauf, aus dem Zirkel ausgestoßen zu werden, mein geringstes Problem. Im tiefstenInneren wusste ich zwar, dass diese Drohung meinen gesamten Lebenszweck zerstören konnte, den Traum meiner Mutter, dass ich den Zirkel in eine neue Ära führen würde, aber darüber konnte ich mir in diesem Moment keine Gedanken machen. Ich konnte einfach nicht.
Ich ging in die Küche und begann die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter abzuhören. Ich hatte zwei davon hinter mich gebracht, als Cortez hinter mich glitt, die Hand ausstreckte und auf die Stoptaste drückte.
»Du brauchst dir das nicht anzuhören«, sagte er.
»Doch. Robert … oder irgendwer …« Meine Stimme zitterte genauso übel wie meine Hände. Ich ballte die Hände zu Fäusten und versuchte, meine Stimme in den Griff zu bekommen. »Ich sollte es mir anhören. Es könnte wichtig sein.«
»Du kannst jederzeit die Anruferliste überprüfen, Paige.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich muss – ich muss irgendwas tun.«
Er zögerte und nickte dann. »Ich mache dir einen Kaffee.«
»Sie trinkt Tee«, sagte Savannah in unserem Rücken. »Komm, ich zeig’s dir.«
Er folgte Savannah, und ich widmete mich wieder dem Telefon.
Anrufer Nummer sechs war eine vertraute und willkommene Stimme.
»Paige? Elena hier. Jeremy hat irgendwas über dich in der Zeitung gelesen. Hört sich an, als ob du eine Menge Schwierigkeiten hättest. Melde dich mal, wenn du Gelegenheit dazu hast.«
»Darf ich anrufen?«, fragte Savannah und machte einen Satz von der Anrichte herunter, von der aus sie Cortez beim Teemachen beaufsichtigt hatte.
»Das mache besser ich«, sagte ich. »Aber du kannst mit ihr reden, wenn ich fertig bin.«
Ich ging in mein Zimmer, rief Elena an und erzählte ihr alles, was passiert war. Es war ein gutes Gefühl, es aussprechen zu können, mit jemandem zu reden, der verstand. Sie bot mir an, vorbeizukommen und zu helfen. Ich kann gar nicht beschreiben, wie wunderbar es war, das zu hören. Leider musste ich ablehnen.
Leah und Elena kannten sich vom Vorjahr her – sie waren beide Gefangene in der Anlage gewesen. Leah hatte sich mit Elena angefreundet und sie dann verraten. Später, als wir zurückkehrten, um Savannah zu holen, hatte Elenas Liebhaber Clayton Leahs Liebhaber Isaac Katzen getötet. Leah war zweifellos der Ansicht, dass sie mit den Werwölfen noch eine Rechnung zu begleichen hatte. Wenn Elena jetzt hier auftauchte, würde Leah am Ende noch beschließen, die Gelegenheit zur Rache zu nutzen, und eine halbdämonisch-werwölfische Blutfehde, die mitten in East Falls ihren Lauf nahm, war wirklich das Allerletzte, was wir jetzt noch brauchten.
Elena verstand, versprach mir aber, sich die nächsten paar Tage nicht allzu weit von zu Hause zu entfernen. Wenn ich meine Meinung ändern sollte, brauchte ich mich nur zu melden. Ich glaube nicht, dass sie eine Ahnung davon hatte, wie viel mir das bedeutete.
Bevor ich auflegte, gab ich das Telefon an Savannah weiter und kehrte in die Küche zurück.
»Tust du irgendwas in deinen Tee?«, fragte er.
»Nein,
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