Nacht der Seelen - Armintrout, J: Nacht der Seelen
Dahlia ihre ‚Fähigkeiten‘ einsetzte – er hob die Hände und machte mit den Fingern Anführungszeichen –, und ja, stimmt, sie hat ein paar richtig gute Tricks auf Lager. Aber sie ist verrückt, und es kann nicht sein, dass sie schon ihr ganzes Leben so gewesen ist, ohne dass es jemand bemerkt hätte.“
„Glaubst du, dass es an ihren Fähigkeiten liegt, dass Dahlia verrückt geworden ist?“ Das war ein heftiger Gedanke, den ich nicht weiterverfolgen wollte. Wenn sie schon als Kind über diese Art von grenzenloser Macht, die sie jetzt ausübte, verfügt hatte, hätte es jemand mitbekommen müssen, dass ihre Spielkollegen in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Vielleicht litt ihre Vernunft dementsprechend mehr unter ihrem Einfluss, je mehr sie ihre Macht nutzte. Todsicher brauchte ich nichts, das auf meine mentale Gesundheit einen negativen Einfluss ausübte.
Ich rang schon mit der Tatsache, dass ich ein Vampir war. Es schien so zu sein, dass je jünger ein Vampir war, desto harmloser war er. Ich fragte mich, ob das Böse an sich eine Alterserscheinung war, so wie Krähenfüße oder ein erhöhter Cholesterinspiegel beim Menschen. Spielte die Zeit gegen Vampire? Es war nur ein Jahr vergangen, seitdem ich verwandelt worden war, und ich konnte jetzt schon absehen, wie mich der ganze Scheiß, den wir bisher schon hatten durchmachen müssen, in Zukunft auf die dunkle Seite drängenwürde. Es schien einfacher zu sein, böse zu sein, denn solange ich denken kann, herrschte da draußen das Böse, und immer schien es zu gewinnen.
Laut seufzend atmete ich aus und ließ den Kopf in meine Hände sinken, die Ellenbogen hatte ich auf meine Knie gestützt. „Du hast recht, Ziggy. Das könnte gefährlich werden. Nathan ist der Meinung, dass Magie sehr gefährlich ist, und er wird das besser wissen als ich. Aber wir müssen uns noch mehr Unterstützung suchen, als wir bisher haben. Vielleicht ist das hier der beste Ort, an dem wir anfangen sollten.“
„Und wir müssen Nathan retten. Wir wollen ihn doch alle so schnell wie möglich wieder zurückhaben, bevor ihm der Souleater etwas antun kann!“, warf Max leise ein, während er Ziggy geradewegs ansah. „Allerdings bin ich mir nicht so sicher, ob du das auch so siehst?“
Als Ziggy das hörte, richtete er sich auf. „Was, zur Hölle, meinst du damit?“
Ich wollte diese Konversation unterbrechen, aber gleichzeitig wünschte ich mir, dass sie zu einem unmissverständlichen Ergebnis führte. Ich musste wissen – ich glaube, Max ging es ähnlich –, ob Ziggy nicht im letzten Moment dem Willen seines Schöpfers nachgeben und uns verraten würde, oder zumindest sich aus dem Konflikt heraushalten würde, um seinen Erschaffer zu beschützen.
„Ich meine“, fuhr Max fort, als hätte er meine Gedanken lesen können, „Ich will wissen, ob du uns in den Rücken fällst, um deinem Schöpfer zu helfen.“
Ziggy wandte sich zu mir um: „Carrie, komm schon. Du musst mir jetzt helfen. Du weißt doch, dass ich euch nicht verarschen würde!“
„Nein, das weiß ich nicht.“ Ich versuchte, stark zu bleiben, obwohl ich spürte, wie Ziggys Hass in die Umgebungausstrahlte. „Ich weiß sehr wohl, dass du zwischen den Stühlen sitzt. Ich weiß, dass du Nathan niemals etwas antun würdest, aber du hast auch zugegeben, dass es dir schwerfällt, den Blutsbanden zwischen dir und dem Souleater zu widerstehen. Wie sollen wir wissen, ob du es nicht warst, der ihn zu uns geführt hat? Bis jetzt bist du nicht hundertprozentig ehrlich zu uns gewesen. Du hast von diesen Wesen gewusst, aber du hast uns nie Informationen über sie gegeben.“
Ich hätte nicht erwartet, dass Bill mir recht geben würde. Ich hatte erwartet, dass er still zuhören würde, bis er ohne ein Risiko einzugehen etwas sagen konnte. Aber er überraschte mich, als er eine Hand auf Ziggys Schulter legte, als wolle er ihm Mut machen. „Sag uns, was du weißt.“
Ich wartete ab und beobachtete, wie Ziggys innerer Konflikt sich mit sichtbaren Zeichen äußerte. Er war so wütend – mich erinnerte nichts mehr an den Jungen, den ich einmal gekannt hatte. Man brauchte keine Blutsbande zu ihm zu haben, um zu ahnen, was in ihm vorging. Für so vieles gab er sich selbst die Schuld. Daran, dass sein Schöpfer derart bösartig war, daran, dass sein Vater als Geisel genommen worden war. Und vor allem, dass er selbst Vampir geworden war.
Er erinnerte mich an die Zeit, als ich gerade verwandelt worden war. Ich war wütend auf
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